Tausende Geschichten - vollkommen umsonst

          
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Bücher sind teuer. Enorm teuer. Für Fachbücher gilt das doppelt und dreifach und in diesem Bereich gibt es auch kaum Abhilfe, aber dieser sei hier auch ausgespart.

Bücher sind teuer, wann sah ich das letzte unter 5 Euro? Längst schon haben sich höhere Preise eingebürgert, bei dem einen Verlag vielleicht um die 7,95, bei anderen 9,95, bei einem weiteren vielleicht standardmäßig 12,95. Reclam fällt hier aus naheliegenden Gründen mit absolut preiswerten Werken aus dem rahmen - zumindest, was die Hefte angeht. (Es gibt auch durchaus "teure" Bücher von Reclam. Diese wurden extra erstellt.)

Der Grund für die Günstigkeit Reclams ist ebenfalls klar - wenngleich nicht jedem bewusst. Reclam legt solche Werke auf, deren Verfasser mehr als 70 Jahre tot ist. Nach deutschem Gesetz erlischt nach dieser Frist das Urheberrecht und es ist jedem erlaubt, das Werk abzudrucken. Dementsprechend gibt es keine Zahlungen an Autoren u.ä., das Werk kann immer wieder ohne zusätzliche Kosten - neben den einmaligen zum Bearbeiten, Setzen etc. - gedruckt werden. Verlage, die neue Werke verlegen haben hingegen stetig einen Autor und eine Vielzahl anderer Dinge mitzubezahlen.

Auch Reclam kostet. Das Internet hat hier jedoch ganz neue Möglichkeiten eröffnet, durch die man mitunter UMSONST an Bücher gelangt.

Die Rede ist hier nicht von eBooks ("electronic books" -> elektronische Bücher) an sich. Diese muss man nach wie vor bezahlen und hat sie dann auf dem Monitor. Nun ja, wem es gefällt - ich ziehe Papier vor. Das "Book on Demand" ("Bücher auf Verlangen") System also: Sobald ich es anfordere, wird es für mich gedruckt. Diese Systeme sind für kleine Verlage von neuen Büchern eine gute Möglichkeit ohne allzu großes Risiko zu arbeiten, eine zu hohe Auflage kann so nicht verstauben.

Aber es kostet und ich sprach im Titel von vollkommen umsonst. Also muss ich etwas anderes meinen. Ich gestehe: ganz richtig ist das nicht; es kommen Strom- und Internetkosten zu dem Preis von 0 hinzu. Und man hat den Nachteil, den Text nur auf dem Monitor zu haben. Will man ihn ausdrucken, so ist man bei längeren Texten oft mit dem Kauf eines fertigen Buches besser beraten, bedenkt man die Kosten des Druckers und das unhandliche DIN A4 Format. Zum Hineinschnuppern jedoch oder zum Suchen von Textstellen sind diese Texte ideal - und auch für jene, die am Monitor lesen.

Die Rede ist hier von dreierlei Dingen: dem Projekt Gutenberg, welches deutsche Texte anbietet; dem Project Gutenberg, welches englische Texte anbietet (zumindest vorwiegend); und den vielfach verfassten Kurzgeschichten und FanFiction-Geschichten, die durch das Internet eine weite Verbreitung fanden.

Die letztgenannten - Kurzgeschichten und FanFiction - variieren in der Qualität von absolutem Schrott bis druckreif. Es kostet ja nichts, sie online zu stellen - oder fast nichts. Daher mag einem hier der Lesespaß schnell vergehen, bekommt man die falschen Geschichten in die Hand. In verschiedenen Seiten, meist Portalen, gibt es solche Sammlungen von Kurzgeschichten. Auch auf Grimoires.de wenngleich der Bereich sehr klein ist, da hier ausgewählt und nicht alles akzeptiert wird.

Bei solchen Geschichten ist man immer gut beraten, die Inhaltsangabe zu lesen und auch die Wertung von anderen Lesern zu beachten, soweit vorhanden insbesondere Kommentare. Wie ich anderenorts erwähnte: Zahlen sagen so gut wie gar nichts über die Qualität aus, höchstens bei einer Bewertung mehrerer hundert Personen. Man sollte nicht erwarten, Topleistungen zu lesen zu bekommen, jedoch wird man bisweilen überrascht. Fehlen Kommentarfunktion, Inhaltsangabe und ähnliches, so rate ich, sich eine solche Geschichte nicht anzutun, denn oft sind dies typische "Anfängergeschichten", die von genau jenen Anfängerfehlern wimmeln, die nach ein bis zwei Jahren Schreiberei verschwinden. Zu jenem Zeitpunkt, wo sich die jungen Schreiber auch darüber Gedanken zu machen beginnen, eine Inhaltsangabe in der Art eines passenden Rückentextes zu verfassen und jenen vor die Geschichte zu schalten, damit potentielle Leser nicht blind weiterklicken.

Kurzgeschichten aller Art sind also gewissermaßen eine Wundertüte. FanFiction ist es in gewissem Sinne auch, jedoch ist dabei stets klar, worum es im Wesentlichen geht. FanFiction zu Xena dreht sich um... nunja, Xena eben. Und es ist klar, dass Conan in den zahlreichen Geschcihten, die Fans über ihn schrieben immer wieder als unverletzter, gottgleicher Sieger hervorgeht. Dennoch haben diese ein festes Publikum und manche sind wirklich gut. Schließlich weiss man auch, dass James Bond die Welt im neuen Film einmal mehr retten wird und es ist trotzdem spannend.

Die Projekte Gutenberg - die ich hier zusammenfasse, da sie der gleichen Konzeption mit verschiedenen Inhalten folgen - sind da anders. Denn die Gutenbergs halten es mehr mit dem Reclam-Verlag: Sie stellen Texte online, auf denen kein Urheberrecht mehr liegt - komplett, mitunter bearbeitet. Als Textdatei (oder html) zum einfachen Download, ggf. auch als zip-Archiv. DAS ist super. Von einem interessanten Titel gehört, der schon älter ist? Projekt Gutenberg aufrufen, anlesen, wenn es gefällt, zu Ende lesen oder gleich das passende Reclam-Heft kaufen. Der Reclam-Preis schlägt nun einmal die Kosten jeden privaten Ausdrucks, das Heft ist gebunden, das Layout vernünftig und es besitzt überdies ein handlicheres Format als ein DIN A4 Ausdruck.

Auch Kurzgeschichten finden sich im englischen Project zur Genüge, die man in einer Viertelstunde am Monitor weglesen kann. Übrigens sind auch genügend phantastische Werke dabei, wie bisweilen Verweise in den Rezensionen zeigen.

Einen großen Nachteil hat das deutsche Projekt im Vergleich: es ist sehr klein und listet bisher nur sehr alte Werke. Übersetzungen sind Mangelware - Mitarbeiter erwünscht. Auch die "Genre"-Einteilung ist etwas ungewöhnlich. So findet man einen Punkt Märchen oder auch Sagen, .Legenden. Zugegeben, sie sind passend und ich verwende sie auch. Heutzutage erwartet man unter Genres aber eher Aufzählungen wie Belletristik, Fantasy, Science-Fiction, Sachbuch etc. Macht aber nichts, man findet sich zurecht.

Das deutsche Projekt hat zumeist kürzere Texte, mitunter auch Minutenlektüre in Form von Zehnzeilern. Ganze Romane sind echte Mangelware, wenn man mit dem englischen Project vergleicht. Allerdings finden sie sich in einer eigenen Kategorie. Mittels Menü kann man zu alphabetisch sortierten Autoren springen, die Suchfunktion ist allerdings ein wenig unglücklich und kann leicht mit der "Spiegel"-Suche verwechselt werden. Dennoch: Manchen Text deutscher Machart findet man hier.

Das englische Project ist logischerweise weitaus umfangreicher. Immerhin ist der englische Sprachraum weitaus größer als der deutsche und dementsprechend gibt es mehr Werke und Übersetzungen ins Englische. Oft listet das Project dann auch die Originalversionen, wie etwa im Fall von Dantes "Göttlicher Komödie". Nachteil für "Urgermanen" ist hier natürlich die Sprache. Wer des Englischen nur rudimentär mächtig ist, der wird dem Project nichts abgewinnen können, um so mehr als die Texte nicht in Schwierigkeitsgrade unterteilt sind, wie man dies von Schulbüchern kennen mag. Man muss also mehr oder weniger ins Blaue hinein lesen und sieht dann, ob man den Text versteht oder nicht. Viele sind mit einem Englischverständnis ab der Qualität der 10. Klasse durchaus nachvollziehbar - ohne Wörterbuch. Dies sind zumeist die Kurzgeschichten,

Ein Blick mag also durchaus lohnen, u.U. gibt es sogar eine deutsche Version. Die Suche ist hier eindeutiger und komfortabler als beim deutschen Projekt und führt schnell zum Ziel. Nachteil: Einzelne Kurzgeschichten finden sich öfters nur in Sammlungen. Aber da diese ebenfalls frei sind, muss man lediglich einige zusätzliche Kilobytes mehr herunterladen.

Alles in allem: Eine Empfehlung mindestens zum Hineinschnuppern!

URLs:

http://gutenberg.spiegel.de Projekt Gutenberg (deutsch)

http://www.gutenberg.org/ Project Gutenberg (englisch)

Auf eine generelle Seite mit Kurzgeschichten kann hier leider nicht verwiesen werden. Eine Suche via Google, Yahoo o.ä. sollte aber zu schnellem Erfolg führen, gibt man zusätzlich thematisch passende Begriffe an (Ansonsten darf man mit Millionen Treffern rechnen).

Avatar von nico Artikel von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Dieser Artikel wurde veröffentlicht am und zuletzt geändert am .

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