Interview mit Heike Wolf

          
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Interview mit Heike Wolf

Ganz zu Beginn schon einmal Danke für das Interview

Nico Zorn (NZ):Wie bist du überhaupt zum Schreiben gekommen?

Heike Wolf (HW): Ich habe immer schon gerne geschrieben, Aufsätze in der Schule, Hintergrundgeschichten für meine Rollenspielcharaktere... Meine erste Kurzgeschichte habe ich dann im Rahmen eines Seminars "Kreatives Schreiben" an der Uni verfaßt, ein Seminar voller Germanisten, mit mir als Philologin dazwischen, nun ja, es hat gereicht für die erste Veröffentlichung. Danach habe ich lange gar nichts gemacht, bis 2001 ein Autorenwettbewerb im Aventurischen Boten ausgeschrieben wurde. Ich war damals in Paris und habe dann Hals über Kopf drei Texte verfaßt, die wohl auf allgemeine Zustimmung gestoßen sind. Es folgte dann die Mitarbeit an "Handelsfürsten&Wüstenkrieger" für Myranor und "Golgaris Ruf" für die DSA-Abenteuer-Anthologie "Leicht verdientes Gold". Bei der Gelegenheit habe ich auch Britta Herz kennengelernt und ihr erzählt, daß ich ein, zwei Romanindeen in der Schublade hätte. Sie meinte, ich solle ihr mal was schicken, und so nahm das Ganze seinen Lauf.

NZ: Und warum Fantasy?

HW: Ich schreibe zur Zeit Fantasy, weil ich für FanPro schreibe; langfristig möchte ich mich gerne historischen Themen zuwenden, allerdings ohne Fantasy ganz aus den Augen zu verlieren. Fantasy bietet eben eine Menge Möglichkeiten und Freiheiten, wie man sie in kaum einem anderen Genre hat und meine Träume und Phantasien passen eben am besten in dieses Genre - oder eben zu historischen Themen.

NZ: Das heißt also, hättest du gleichzeitig einen einer Historienzeitschrift in die Finger bekommen, hättest du die Möglichkeit "Fantasy/DAS" gar nicht genutzt?

HW: Ich hätte sicher bei beiden mitgemacht ;-)) Nein, im Ernst, da ich von Anfang an DSA gespielt habe, war der Gedanke, einmal was in Aventurien zu schreiben, schon immer da. Ich hatte schon vorher überlegt, eine meiner Roman-Ideen einfach mal nach Erkrath zu schicken und zu sehen, was daraus wird - da ist mir die Ausschreibung zuvor gekommen.

NZ: Bleibt die Frage: Wieso die DSA-Reihe? "Nur" weil sie jungen Autoren Möglichkeiten bietet?

HW: Ich bin mehr oder minder mit DSA aufgewachsen (ich spiele seit 1985 DSA), so daß meine Ideen überwiegend in Aventurien angesiedelt sind/ waren. Daß die DSA-Reihe für junge Autoren ideal ist, um erste Erfahrungen zu sammeln, spielte dabei eine eher untergeordnete Rolle, da die "Spielsteine" von vornherein als aventurischer Roman konzipiert waren. Ich bin in den DSA-Kontext

im Rahmen des Autorenwettbewerbs mehr oder minder "reingerutscht" - und bin immer noch froh, daß ich damals endlich mal den Hintern hochbekommen und etwas eingeschickt habe (ich neige sonst zu großartigen Planungen, die sich bald wieder zerschlagen).

NZ: Taron ist ein recht ungewöhnlicher Rondra-Geweihter. Wie entstanden er und seine Geschichte?

HW: Ursprünglich aus einer Rollenspielfigur, bei der ich die Zerrissenheit zwischen den verschiedenen Gesichtern der Göttin thematisiert habe (und meine Gruppe regelmäßig zur Verzweiflung brachte). Ein typischer Klischee-Rondrianer erschien mir 1. zu langweilig, 2. zu kurzlebig und 3. nicht mit unserer damaligen Gruppe kompatibel. So ergab sich Stück für Stück die theologische Problematik, die bei den Spielsteinen durchschimmert, und Tarons Umgang mit ihr. Ich hatte damals eine sehr umfangreiche Hintergrundgeschichte zu diesem Charakter geschrieben, die in Teilen in den Roman eingegangen ist (so ist das Havena-Kapitel der älteste Teil des Buches und stammt noch aus dieser Charaktergeschichte). Natürlich mußte ich mich von vielen Elementen des Rollenspielcharakters verabschieden, um eine Romanfigur aus ihm zu machen, und mich vor allem von den Geschehnissen am Spieltisch distanzieren. Solche Geschichten sind meist nur für Insider interessant, nicht aber für einen Roman.

NZ: Wie lange brauchte das Werk vom ersten Strich bis zum Druck?

HW: Einige wenige Passagen sind etwa drei bis fünf Jahre alt, eben jene, die aus der alten Charaktergeschichte stammen. Im Juni 2002 hatte ich Britta ein Exposé eingereicht, im August erhielt ich das Okay. Es hat dann eine Weile gedauert, bis ich richtig anfangen konnte, da mich die Uni ziemlich in Beschlag nahm. Den Hauptteil habe ich im Januar 2003 geschrieben, als ich mit einer Bronchitis zwei Wochen ans Bett/ an den heimischen PC gefesselt war. Dann kam die Nachricht, daß Heyne die DSA-Romane nicht mehr verlegt, und im März/April teilte mir Britta mit, dass es bei FanPro, bzw. Phoenix weitergehe. Das Okay von Catherine Beck kam im Juli, der Vertrag im August. Dann gab es noch einige Verzögerungen, bis der Roman im Januar 2004 schließlich erschien. Insgesamt dauerte es also ca. 1 1/2 Jahre, wobei die Zeit, die ich zum Schreiben brauchte, noch den geringsten Anteil ausmachte.

NZ: Du erwähnst das Projekt Phönix im Buch und dankst den Mitgliedern - allerdings konnte ich dich dort nirgends entdecken. Was steckt dahinter?

HW: Ich arbeite seit August vergangenen Jahres im Projekt Phoenix mit, vermutlich wurde die Liste, die du kennst, noch nicht aktualisiert. Ich habe Alex Wichert bei der Arbeit für die Südspielhilfe "In den Dschungeln Meridianas" kennengelernt, und er war so freundlich, mein Manuskript Korrektur zu lesen und mich im Anschluss gleich in das Projekt Phoenix aufzunehmen.

NZ: Gibt es eine Möglichkeit für Fanpost oder Kritik, die du auch öffentlich nennen möchtest? Wie waren bisher die Reaktionen?

HW: Ich bin unter HeikeWolf@gmx.net zu erreichen, an einer Homepage arbeite ich noch; wenn ich mal Zeit hätte... Die Reaktionen, von denen ich gehört habe, waren bisher durchweg positiv. Außer der Rezension auf dieser Seite gibt es noch eine sehr positive auf alveran.org und natürlich die bei amazon.de.

NZ: Welches Werk hat dich in literarischer Hinsicht besonders geprägt?

HW: Ich liebe die Bücher von Rebecca Gablé (z.b. "Das Lächeln der Fortuna"), sie hat einen wunderbaren Stil, der einen so fesselt, daß man bereitwillig 1000 Seiten Lebensgeschichte eines Londoner Tuchhändlers ("König der Purpurnen Stadt") in zwei Nächten liest. Überhaupt mag ich gut geschriebene Unterhaltungsliteratur, mit der man sich die Nächte um die Ohren schlägt und sich dem Sog kaum entziehen kann. Daneben bewundere ich Vergils Aeneis, mein Lieblingswerk der lateinschen Klassiker. In Sachen Fantasy ist für mich Tolkien wegweisend, wobei ich bei ihm die Epik und den Pathos liebe (die Schlacht um Minas Tirith war immer mein Lieblingsbuch).

NZ: Welches sind die persönlichen Lieblingsfiguren in deinem Werk (und Vorbilder)?

HW: Das ist eine schwere Frage. Interessanter Weise bevorzugt jeder Leser eine andere Figur. Mein Freund findet Taron langweilig und liebt den Zwergen, eine andere Freundin hätte am liebsten gesehen, daß Taron Duglosch gleich beim ersten Treffen erschlägt, und Alex Wichert nahm mir Laskes Schicksal übel... Ich persönlich mag eigentlich alle Figuren auf die eine oder andere

Weise. Taron ist sicher kein Sympathieträger, aber er ist interessant, und das mag ich an ihm. Ulrian gefällt mir auch gut, und Marga hätte ich gerne noch weiter ausgebaut, wenn ich mehr Platz gehabt hätte. Besonderen Spaß hat mir auch Berid gemacht.

NZ: Welche Autoren prägen deiner Meinung nach besonders die heutige Fantasy und Phantastik?

HW: Schwierig. Ich lese kaum Fantasy, sondern greife meist zu historischen Romanen - wenn ich nicht gerade selbst schreibe oder mich meinen Uni-Themen widmen muß, wobei man Ovid und Vergil durchaus unter Fantasy fassen könnte ... *schnell duckend*

NZ: Vor mir bestimmt nicht, der ich schon Shakespeare und Alighieri zumindest in Teilen als Fantasy klassifiziert habe... die Parallelen sind ja bisweilen eindeutig.

HW: Terry Pratchett kann ich nicht länger als einen Band am Stück lesen, aber er prägt, wie ich während des Seminars "Kreatives Schreiben" feststellen mußte. Blickt man in die Regale, kommt man an Wolfgang Hohlbein nicht vorbei, den ich vor 15 Jahren nahezu inhaliert habe. Heute lese ich ihn nicht mehr, aber die Regalreihen gibt es immer noch. Mit den Amerikanern kenne ich mich nicht so aus, mein Freund schwört auf Salvatore (Dunkelelfensaga etc.), aber damit konnte ich mich nicht wirklich anfreunden. Ich zähle wohl zu den Autoren, die mehr Fantasy schreiben als lesen.

NZ: Und welche Autoren waren allgemein prägend für genannte Genres?

HW: Tolkien. Und es ist schwer, an ihm vorbeizukommen, auch wenn es darum geht, eigene Welten zu schaffen.

NZ: Die beste Entscheidung deines Lebens war...

HW: Mein Medizinstudium abzubrechen und das zu tun, was mir Spaß macht - Schreiben, Geschichte und Fantasy.

NZ: Dein Lebensmotto?

HW: Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Carpe diem, das dürfte vielleicht passen. Es gab und gibt genug trübe Tage im Leben, da sollte man die schönen auskosten und sie in Erinnerung bewahren.

NZ: Dein Geheimrezept gegen Schreibblockaden und auch anderweitige Unlust?

HW: Schreiben, schreiben, schreiben, und wenn das auch nicht mehr hilft, joggen, Musik hören oder schwimmen. Irgend etwas, wobei man seine Gedanken schweifen und seine Charaktere reden lassen kann.

NZ: Unendliche Möglichkeiten: Was für ein Werk würdest du schreiben?

HW: Mir schweben viele Projekte vor, die ich noch angehen möchte. Zunächst zwei historische (römischen Antike), dann auch ein Fantasy-Epos, der aber noch lange nicht spruchreif ist. Vielleicht wäre er es bald bei unendlichen Möglichkeiten, die mich nicht zum Jobben und Vokabellernen zwingen würden. Und ich würde reisen und vielleicht einige Monate in Rom und Paris verbringen, beides Städte, die für mich ungemein inspirierend sind.

NZ: Darf man daraus schließen, dass eventuell historische Romane in/um diese Städte auf uns zu kommen? Oder gibt es noch keine konkreten Ansätze?

HW: Bei Rom schon ;-) Aber erst einmal steht das Examen an. Paris mag ich einfach als Stadt; das ganze Lebensgefühl, diese hektische und gleichzeitig melancholische Atmosphäre. Ich habe ein Jahr dort studiert, und seitdem plane ich immer mal wieder, hinzufahren - meist scheitert es an der Zeit und dem Geld.

NZ: Was gibt es neben der Arbeit als Autorin? Wie viel nimmt das Studium in Anspruch?

HW: Zur Zeit mache ich eine Pause, da ich gerade erst meine Examensarbeit abgegeben habe und ein wenig Ruhe brauche, ehe es im September mit den Prüfungen weitergeht. Aber ab April/ Mai wird mich mein Studium wahrscheinlich wieder voll in Beschlag nehmen, so daß ich bis zum Herbst mit etwas Glück zum Recherchieren komme, auf keinen Fall aber zum Schreiben. Wie es danach weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Außerdem jobbe ich im Kino, um meine Wohnung und sonstigen "Luxus" zu finanzieren (ich bin es inzwischen Leid, auf 15 qm zu wohnen, und alles andere kostet eben), jogge und schwimme und mache Liverollenspiel, soweit es die Zeit und der Geldbeutel zulassen.

Nicht zu vergessen sind natürlich meine Pen&Paper-Runden (DSA und anderes), die sich mehr oder minder regelmäßig treffen.

NZ: Thema Liverollenspiel, eine "Horde verrückter in uralten Klamotten" - welche Rolle bevorzugst du?

HW: Rollen, die mir persönlich nicht so nahestehen. Im Gegensatz zum Pen&Paper, wo ich gerne Figuren entwerfe, die Teile von mir verkörpern oder in die ich mich stark hinein denken kann, bis sie irgendwann eine eigene Dynamik entwickeln, achte ich darauf, beim LARP eine Distanz zu meinen Charakteren zu bewahren.

Derzeit bin ich als Zwergin unterwegs, als Hauptmann eines Söldnertrupps, die "Schädelspalter". Ich mag diesen Charakter, der mit gut 16 kg Eisen am Körper in der ersten Reihe steht und seine

Axt schwingt. Weniger anstrengend ist eine meiner anderen Rollen, eine irische Bardin. Da stört es mich nur, daß man als "liebreizende Maid" meist auf das Zuschauen beschränkt ist, wenn's interessant wird. Die beiden sind sicher zwei verschiende Enden einer langen Skala, ich bin nicht wirklich festgelegt.

NZ: Dein absoluter Traumjob wäre was? Und Warum?

HW: Schriftstellerin. Mir macht Schreiben wahnsinnig viel Spaß, und wenn ich davon leben könnte, würde ich es einem Dasein als Lateinlehrerin auf jeden Fall vorziehen. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg, mal sehen, was daraus wird. Und zunächst steht erst einmal das Examen an.

NZ: Gibt es Lieblingsbücher und -autoren? Was macht sie so besonders?

HW: Besagte Rebecca Gablé gehört derzeit eindeutig zu meinen Lieblingsautoren, ihre Romane ziehen mich regelmäßig in ihren Bann, und ich mag ihren Stil. Jüngst erschienen ist außerdem "Der Tribun" von Iris Kammerer, ein Roman zur Zeit des Arminius-Aufstandes 9 n.Chr. Ich kenne Iris aus dem Projekt Phoenix, sie ist sprachlich unheimlich stark - und als Philologin historisch usgesprochen korrekt, was mir bei vielen anderen historischen Romanen fehlt. Vor zehn Jahren hätte ich auch noch Tolkien genannt, aber da ich ihn sicher ebenso lang nicht mehr gelesen habe, weiß ich nicht, wie er mir heute gefallen würde. Unter den Romanen der DSA-Reihe mag ich vor allem "Sand und Blut" von Alex Wichert (das soll jetzt keine Eigenwerbung für das Projekt Phoenix sein, aber ich liebe Al'Anfa, und Alex schafft es hervorragend, diesen bitteren Zynismus herauszuarbeiten, der für mich Al'Anfa prägt), "Sphärenschlüssel" und "Blutrosen" von Jörg Raddatz und Heike Kamaris und "Blaues Licht" von Daniela Knor, der erste DSA-Roman seit langer Zeit, den ich bis zum Ende gelesen habe. André Wieslers "Das Artefakt" aus der Rhiana-Reihe hat mir auch gefallen, und ich bin gespannt auf den "König der Diebe".

NZ: Wie sehen die weiteren Pläne aus? Mehr Geschichten in Aventurien? Eine andere Welt? Oder etwas ganz eigenes?

HW: Im Moment arbeite ich zusammen mit Alex Wichert und Anja Jäcke an einem weiteren DSA-Roman, danach steht das Examen an, und dann werde ich wohl den ersten historischen in Angriff nehmen. Daneben schreibe ich z.Z. an zwei Kurzabenteuern und arbeite an einer Spielhilfe mit. Ideen für weitere Geschichten in Aventurien habe ich einige, mal sehen, ob ich die Zeit dafür finde, sie zu verwirklichen.

NZ: In welcher bestehenden Welt/Serie würdest du gerne eine Geschichte spielen lassen? Ist Aventurien da schon erste Wahl?

HW: Da ich mich von Anfang an auf Aventurien konzentriert habe, ist es für mich schon die erste Wahl. Die Ausarbeitung dieser Welt bis ins letzte Detail schafft zwar hin und wieder Probleme, aber sie bietet auch vielfältige Möglichkeiten, mit denen man gut spielen kann. Interessant finde ich auch die World of Darkness. Wir haben eine ganze Weile Vampire gespielt, und ich mag diesen morbiden Charme. Ansonsten lese ich, wie gesagt, sehr wenig Fantasy.

NZ: Irgend etwas, was der Welt zum Abschluss mitzuteilen wäre?

HW: Und Latein macht doch Spaß :-)

NZ: Nochmals Danke für das Interview.

Avatar von nico Artikel von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Dieser Artikel wurde veröffentlicht am und zuletzt geändert am .

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