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Wertung: 5/5 Grimoires; 9/10 Punkte, Sehr gut

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Die Brüder Grimm (nicht Gebrüder Grimm) kennt jeder. Dies ist jedoch keine Sammlung ihrer Märchen: Es ist ein „Update“, das heißt Fassungen der Märchen, die modern neu erzählt werden. Unter diesen Märchen gibt es einige, die jedem bekannt sind, etwa Hänsel und Gretel, die Anfang 2013 recht trashig (was nicht abwertend gemeint ist) und modern auf die Kinoleinwand stürmten. „Grimms Märchen Update 1.1 – Froschkönig ungeküsst“ schließt sich diesem Trash teilweise gekonnt an, hält sich in den meisten Fällen aber genauer an die Grimmsche Vorlage und modernisiert sie auf verschiedene Arten.

Das Buch erhält 9 von 10 Punkten.

Märchen verändern?

Anfang 2013 kam in den Medien die Frage auf, ob in einer Neuauflage der Kinder und Hausmärchen "anstößig" gewordene Begriffe ersetzt werden sollten. Mit diesen Korrekturen zugunsten (übertriebener) politischer Korrektheit haben Grimms Märchen Updates aber nichts zu tun. Bei Märchen-Neuauflagen bin ich eindeutig für Treue zum Original. „Grimms Updates“ sind aber keine Neuauflage.

Die Geschichten haben ihre Inspiration in Grimms Märchen und erzählen sie neu, modernisiert. Das ist etwas anderes als eine Neuauflage, nämlich eine Neuschöpfung; eine neue Geschichte auf Basis einer alten; Intertext. Aus diesen Neu-Fassungen ergeben sich andere Ansprüche und auch eine andere Gattung: die Geschichten sind noch märchenhaft, aber keine Märchen mehr. Einiges unterscheidet sie vom typischen „Es war einmal“ und man liest sie anders, in gewisser Weise „realistischer“ als ein Zaubermärchen. In den 33 Kurzgeschichten von ebenso vielen Autoren werden die klassischen Märchen amüsant, interessant, humorig und treffend in unsere moderne(re) Welt übertragen.

Ersetzter Märchen-Modus

Wie gesagt: Märchen liest man anders als „realistische“ Literatur. Man liest Märchen auch anders als Fantasy, die trotz aller Magie (oder gerade deswegen) doch einen Realismus-Anspruch hat. Das Märchen vereinfacht: Namen haben wenn überhaupt nur Hauptfiguren; Charaktere bzw. Figuren sind eindimensionale Typen; die Geographie ist ungenau; Magie, sprechende Tiere, allerlei Wundersames taucht aus dem Nichts auf und wird als gegeben hingenommen; Zahlen haben Bedeutung, ebenso Wiederholungen; die Welt ist einfacher: gut und böse sind klar erkennbar und absolut; das Märchen endet moralisch mit Strafe und Belohnung. Teilweise sieht man dies auch (weniger extrem) in Standard-Fantasy. Niemand käme jedoch auf die Idee, ein Grimmsches Märchen als reales Geschehen zu lesen.

„Grimms Märchen Update“ macht jedoch Schritte in diese Richtung und bricht den Märchen-Modus. Ein Beispiel ist eine Neuerzählung der „Nixe im Teich“. Sie wird nach Indonesien verlagert, bekommt einen islamischen Hauch und bindet realhistorische Ereignisse dezent ein. Die Charaktere haben Namen und eine Persönlichkeit und entwickeln sich während der Handlung. Hier und in anderen Updates findet man auch deutlich mehr Gedanken und wörtliche Rede, die im Märchen ebenfalls selten sind. Typen-Figuren gibt es allerdings immer noch einige, was auch bei modernen Kurzgeschichten üblich ist. Statt der Figuren eines „Damals“ trifft man jedoch Anwälte und Polizei, Umweltverschmutzung, Zigaretten und Depressionen. Die Märchen erhalten im Update bisweilen eine moderne, realistische Logik. Eine schöne Dreingabe sind die historischen Illustrationen sowie die modernen Illustrationen der Bildagentur Shutterstock.

Humorig, nachdenklich - und manchmal düsterer

Aus dem Versetzen von der Märchenwelt in die Realität (oder zumindest eine realitäts-nähere Welt) ergeben sich eine andere Leseweise und eine andere Wirkung. Vorweg sollte man ausdrücklich sagen: Wem Grimms Märchen unbekannt sind, der wird dem Update weit weniger abgewinnen Können als der Kenner. Denn die „neuen“ Märchen beinhalten viel Humor der zu wesentlichem Teil aus dem Vergleich mit den Grimm-Versionen kommt. Humor ist dann auch das Schlagwort für Grimms Update 1.1 im direkten Vergleich mit dem Grimm-Update 1.2, das im gleichen Verlag erschien und ein Stück düsterer daher kommt. Das heißt aber nicht, dass in dieser Anthologie alles eitel Sonnenschein ist. Das macht keine guten Geschichten und auch im Märchen gibt es immer irgendein Unheil. Ein Beispiel ist die letzte Geschichte, die ominös auf andere Märchen deutet und auch einen Hauch Tragik für die Bösen mitbringt; andere Geschichten verlängern Märchen über das klassische Ende hinaus und geben ihm einen Twist. Gleich die erste Geschichte ist ein Märchen-Medley, der quer durch das Grimmsche Oeuvre zieht und das bekannte "und wenn sie nicht gestorben sind" mit einem Fragezeichen versieht.

Einige Geschichten erzählen "wie es wirklich war", sei es komplett und aus der Geschichte einer anderen Figur wie der dreizehnter Fee, oder in Ausschnitten wie einem Verhaltenskodex für Zwerge. Es gibt Erklärungen für das Geschehen oder Details, die von den Grimms „vergessen“ wurden werden nachgetragen. Humor entsteht hier durch die Anwendung von Logik, die im Märchen ansonsten wegfällt. Kurios auch mancher Transfer in die heutige Zeit. Ich sage nur: Rapunzel mit Fußball-Fans. Einige Geschichten überraschen mit einer Pointe, wobei sie das Ursprungsmärchen zunächst verschleiern. Dies gelingt, da der Leser in dieser Anthologie eine Verbindung zum Märchen erwartet. Gleiches gilt für klassische Figuren, die eine märchen-untypische Handlung für sich wählten.

Kleine Makel: Themenhäufung und Entfernung vom Ursprung

Bei 33 Geschichten bleibt eine Qualitätsschwankung nicht aus; gleichfalls ist es nicht möglich auf alle Geschichten einzeln einzugehen. Das Gesamturteil ist jedoch sehr gut: Die Qualität ist durchgehend hoch, echte Durchhänger gibt es nicht. Klar: Favoriten habe ich auch hier und einige Geschichten gefielen mir weniger. Das waren zumeist die, die sich ein wenig zu sehr vom Ursprungsmärchen entfernt haben, zum Beispiel eine Rapunzel-Geschichte im heutigen Hamburg. Elemente sind noch vorhanden, aber das einzige wirklich markante war ein Mädchen mit dem Spitznamen „Rapunzel“ und langem Haar; der Verweis aufs Märchen war mir hier einerseits zu herausgeschrien, andererseits aber auch zu vage.

Zweiter kleiner Makelpunkt kann manche Ähnlichkeit der Geschichten sein. Kurzgeschichtensammlungen liest man zwar so gut wie nie in einem durch und die generelle Ähnlichkeit vieler (Zauber-)Märchen ist auch bekannt, aber manchmal kommt ein Thema und Schlagwort gehäuft vor. Ein wenig Abstand zwischen diesen Geschichten hätte bereits anders gewirkt; auch wenn einige Geschichten es etwas weniger herausgeschrien hätten.

Ein Problem kann natürlich auch die Unkenntnis von Märchen sein. Die meisten Geschichten verarbeiten die bekannteren Märchen, aber auch einige "exotischere" sind dabei. Mir gefiel dies: Immer nur Aschenputtel, Dornröschen, Hänsel und Gretel – langweilig! Kennt man ein Märchen hingegen nicht, so verliert man im Update die wichtige Dimension des Bezugs auf das Grimm-Original. Dem kann auch die Liste der Ursprungsmärchen am Ende nicht wirklich abhelfen – und diese im Voraus anzuschauen kann ich nicht empfehlen, denn einige Geschichten erhalten geistreichen Witz dadurch, dass das Märchen nicht sofort erkannt wird.

„Grimms Märchen Update 1.1 – Froschkönig ungeküsst“ bietet eine tolle, humorige Mischung von modern neuerzählten Märchen für jeden Märchenfans. Kennen muss man die Grimmschen „Originale“, vor allem die bekannten Märchen, oder einiger Reiz geht verloren. Wer Spaß an Märchen und an Neuerzählungen hat: unbedingt zugreifen!

Inhalt

  • Und wenn sie nicht gestorben sind? (Ramona "Trashmarie" Müller)
  • Cinderellas Asche (Werner Münchow)
  • Jorinde und Joringel (Ellen Kaiser)
  • Rumpelstilzchens Namenstag (Katharina Gerlach)
  • Aschenputtel (Mena Koller)
  • Vermutung über das Verschwinden des Froschkönigs (Bernhard Horwatitsch)
  • Dornröschen erwacht (Astrid Grimm)
  • Hans und Margarethe (Melanie Vogltanz)
  • Der verkaterte Stiefel (Elvira Wischniewski)
  • Ronja (Lisa Altmeier)
  • Einundzwanzig Jahre (Isabella Benz)
  • Eine Probierphase braucht man (Dolores Pieschke)
  • Die dreizehnte Fee oder Die Wahrheit über Dornröschen (Roselinde Dombach)
  • Machtübernahme (Barbara Kendöl)
  • Punkgirl (Sigrid A. Urban)
  • Auf Schritt und Tritt (Katia Siegfried)
  • Hans im Glück, die Fortsetzung (Karl Otto Kaminski)
  • Rotkäppchen 2012 (Ursula Heinrich)
  • Leserbrief an Dr. Sommer (Ute Malkowsky-Moritz)
  • Das Böse ist immer und überall (Boris Schneider)
  • Der Schneider und die Tiere (Elena Lidenbrock)
  • Frau Holle, erzählt von Pechmarie (Gisela Kruyer)
  • Prinzessin für eine Nacht (Kerstin Cimbal-Marocke)
  • Körri (Stefanie Lasthaus)
  • Jeder Wunsch, wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge (Thea Derado)
  • Auf Abwegen (Christiane Kleine)
  • Hausordnung der 7 Zwerge (Heinz Kirchenmaier)
  • Die Spinnerin (Sandra Hlawatsch)
  • Blendwerk (Silvia Nold)
  • Thalor, der liebende Hakir (Sarah Seyed Abbasi)
  • Schneeweißchen und Rosenrot (Ruth Kornberger)
  • Gut gemeint (Mira Draken)
  • Zwei Königinnen (Caroline Strack)

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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