Buch-Cover, V.K. Ludewig: Oper der Phantome

Oper der Phantome

Serie: Laura Slasher (#2)Genre: Phantastik
Verlag: dtv
Seiten: 336
Erschienen: 10/2013 (Original: 2013)
ISBN: 978-3-423-21469-8
Preis: 9,95 Euro (Softcover)
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Wertung: 4/5 Grimoires; 8/10 Punkte, Gut bis sehr gut

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Zunächst lief es nach den Ereignissen in Ashby House gut für Mrs. Laura Slasher, geborene Shalott. Doch nun ist sie frisch von ihrem Gestaltwandler-Ehemann getrennt. Sie braucht eine Auszeit. Schnell kommt die gewünschte Ablenkung: McGrath & Son engagiert sie und schickt sie nach Berlin. In der Komischen Oper gibt es ein Portal, ähnlich dem in Ashby House. Da Laura bereits Erfahrung hat, scheint sie eine exzellente Wahl für die Agentur zu sein. In Berlin soll sie alles vertuschen, das Portal geheim halten. Und wenn möglich auch eine Katastrophe verhindern, die schon beim letzten Mal eintrat, als Rusalka gespielt wurde.

Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.

"Oper der Phantome" setzt die Geschichte aus Ashby House mit einem Zeitsprung fort. Markante Eigenheiten wie der Präsens-Stil und die Leseransprachen und -einbeziehungen prägen auch diesen Roman. Im Vergleich zum Vorgänger gibt es jedoch weniger unerklärlichen Schrecken; dafür wirkt dieser Roman runder.

Vom Opfer zum Vertuscher

Am Ende von Ashby House sagte ich, dass es ein wenig zu viel sei: zu viel Militär, zu viel Geheimdienste, zu viel Verschwörung. Gleich zu Beginn dieses Romans wechselt Laura quasi die Seiten - nicht auf die Seite der seltsamen Wesen aus anderen Dimensionen. Sondern auf die Seite der Vertuscher. Dies ist jedoch nicht die "böse" Seite, sondern eine durchaus wohlmeinende Organisation (zumindest soweit man es bislang sieht), die die Menschen einfach von den gefährlichen Portalen fernzuhalten versucht.

Dies passt erstaunlich gut. Ich hatte keinerlei Probleme, es zu akzeptieren. Es macht Sinn, Laura anzuheuern und da es "nur" bei dieser Geheimorganisation bleibt, gibt es auch kein Gefühl, dass zu viel zusammenkommt. Freilich agierte ebendiese Agentur schon im Zweiten Weltkrieg mit Fliegerbomben und am Ende des Romans werden einige Kräfte mobilisiert, die durchaus aufsehenerregend sind. Aber sei es durch den ersten Roman der Reihe oder den Aufbau mit einer langlebigen Geheimorganisation, die von Anfang an im Hintergrund steht: Hier wirkt es runder, passender als am Ende von Ashby House. Auch wenn nun eine Organisation im Hintergrund steht, deren Ressourcen nach belieben aufgedreht werden können: Man weiß es von Anfang an und wird nicht im Finale von ihr überrascht.

Der Stil: Präsens, (Selbst-)Referentialität und Leseransprache

Auf der stilistischen Seite hebt sich dieser Roman auf die gleiche Art ab wie der Vorgänger. Sofort fällt das verwendete Präsens auf. Zusammen mit den sehr kurzen Kapiteln (43 Kapitel inklusive Ouvertüre und Encore) führt dies zu einem sehr flotten und flott zu lesenden Roman. Dazu passt, dass "Oper der Phantome" ein leicht zu lesender Roman ist. Unterstelle ich mangelnde "Tiefe"? Ja und nein: Man kann diesen Roman ohne tieferes Verständnis lesen; tief greifende Anspielungen oder vorausgesetztes Wissen gibt es nicht. (Abgesehen vielleicht vom Vor-Roman.) Aber flach ist er nicht: Rusalka gibt es, und die Referenzen stimmen - auch wenn man die Oper nicht kennen muss. Das gilt auch für Anspielungen im Hintergrund, wie eine Weltkriegsbombe, die in die Oper einschlug. Die historischen Ereignisse sind real, bekommen hier zweifellos einen phantastischen Kontext, geben dem Text aber dennoch mehr "Echtheit". Und wenn man sie einfach überliest, so schadet das nicht allzu sehr.

Gelungen finde ich auch die unaufdringliche Selbsteinbindung des Autors als Operngast, der eine Führung leider absagt, weil er "im Schreibfluss" ist und "nicht vom Schreibtisch" wegkommt, da er gerade an "seinem zweiten Roman" arbeitet. Mancher mag dies aufgesetzt finden. Mir gefällt dies, zusammen mit dem locker-ironischen Humor an anderen Stellen.

Denn es passt ins Gesamtbild. V.K. Ludewig ist kein abwesender Autorengott. Von Beginn an spricht er (bzw. der Erzähler, den man hier jedoch mit gewisser Berechtigung dem Autor gleichsetzen kann) den Leser direkt an. Er macht darauf aufmerksam, dass der Leser ja schon etwas weiß, die Protagonisten aber nicht. Und er fragt leicht provokativ, leicht humorvoll, ob eine bestimmte Gegebenheit "Schicksal ist, die Harmonie zwischen zwei Paralleluniversen, eine bedeutsame Synchronizität, reiner Zufall oder die Idee des Autors".

Gegenüber "Ashby House" tritt der Horror ein gutes Stück zurück und ein paar mehr Schmunzler in den Vordergrund. Ein gewisser dunkler Grundton bleibt. Dieser wird aber allein durch das Umfeld aufgehellt: das lebendige Berlin gegenüber dem einsamen Haus an Land's End. Humoristische Fantasy wird "Oper der Phantome" aber nicht - auch wenn ich das beim Titel zuerst falsch vermutete. Mit dem "Phantom der Oper" hat der Roman nämlich nichts zu tun, auch nicht als Anspielung.

Die Phantome der Oper

Na gut, gelogen: Beide Romane spielen in einer Oper und die Anspielung auf den bedrohlich schwankenden Leuchter kann sich V.K. Ludewig nicht entgehen lassen. Als Leser würde ich es wohl auch vermissen, wenn er nicht vorkäme. Neben Berlin prägt auch die Oper diesen Roman, der etwa zu einem Drittel bis zur Hälfte in ihren Mauern spielt. Dieses Thema wird schon im Prolog sichtbar, der passenderweise Ouvertüre betitelt ist, so wie der Epilog die Encore ist. Die zentrale Oper, Rusalka, dürfte nicht sehr vielen bekannt sein. Stark vereinfacht ist es die slawische Version der Kleinen Meerjungfrau.

Die Sirenen und die anderen Wesen der Oper sind jedoch nicht harmlos, sondern gefährliche Monster. Ihre Horror-Qualität reicht jedoch nicht an die unbekannten und ungreifbaren Schrecken einer anderen Dimension heran und erst gegen Ende treten sie markant auf. Auch Lauras Vordringen in eine andere Dimension nimmt diesen Wesen einen Teil ihres Schreckens und ihrer Fremdheit: Das Andere wird greifbar. "Oper der Phantome" ließ mich daher weniger zittern, erhielt weniger Spannung durch Schauder sondern durch die Mission im Stil von Geheimagenten: Vertuschung, heimliches Agieren.

Bekannte Figuren, neue Nebenrollen

Laura Slasher ist die zentrale Figur des Romans. Zu ihrer Ausgestaltung wird wenig getan und auf bekannte Charakterzüge aus "Ashby House" zurückgegriffen. Die Ehe mit dem Gestaltwandler Hector liegt am Romananfang frisch in Trümmern und bildet die Basis für den Spannungsbogen auf emotional-persönlicher Ebene. Allerdings spielt diese Handlung eher dritte Geige und tritt in den Hintergrund. Neue Nebenfiguren wie die Berliner Sängerin Magda oder Lauras "Sidekick" Elle können keine große Tiefe gewinnen. Sie bleiben Helfer-Figuren und wirken auch durch ihren Kontrast: auf der einen Seite die junge, emotionale Madga; auf der anderen Seite die erfahrene, stille und kompetente Elle. Wenn man will, kann man kritisieren, dass Laura einfach alles gelingt: wen sie auch trifft, die Personen sind hilfsbereit - und auch hilfreich. Weder die nicht allzu tiefen Charaktere noch das Flutschen fällt sonderlich auf: Auch die Romanlektüre flutscht. Erfreulich fand ich auch das Wiedersehen mit einer anderen Figur des ersten Romans.

"Oper der Phantome" ist ein kurzweiliger zweiter Roman mit Laura Slasher, der jedoch stark an Schauer-Qualitäten einbüßt. Eher trifft es: Paranormaler Agentenroman mit Horrorelementen. In jedem Fall bewahrt V.K. Ludewig sich seinen frischen Stil und bringt eine nette Prise Humor mit. Auch Anspielungen auf reale Ereignisse sind locker verarbeitet. Ein guter Roman für zwischendurch, bei dem die Kritikpunkte wenig ins Gewicht fallen.

Übrigens wird Rusalka von November 2013 bis Januar 2014 wieder an der Komischen Oper aufgeführt, wer also mal nachschauen will, ob sich vielleicht ein Portal öffnet... http://www.komische-oper-berlin.de/spielplan/rusalka/

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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