Buch-Cover, Boris Schneider: Mauszeiten

Mauszeiten

Genre: Tierfantasy
Seiten: 295
Erschienen: 06/2013 (Original: 2013)
ISBN: 978-3-86196-260-1
Preis: 12,90 Euro (Softcover)
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Flitz lebt mit den andern Mäusen unter dem Münchener Marienplatz. Als es ihm gelingt, Stummel als Partnerin zu gewinnen, könnte alles perfekt sein. Doch da ist Blacksix, eine schwarze Maus, die Stummel ebenfalls für sich will. Als seltsame Klumpen auftauchen, die verlockend riechen, die Mäuse aber sterben lassen, flieht Flitz mit seinen Freunden: Blacksix stachelt die anderen Mäuse gegen ihn auf; er sei schuld an Friths Fluch! Flitz, Stummel und ihre Begleiter haben ein Ziel: Kastas Welt, die Welt einer Maus, die in ihre Welt der Tunnel herabfiel. Doch auf dem Weg dorthin begegnen sie nicht nur Hrududus, Zweibeinern und Ratten, sondern auch gähnende Leere, wo einst Mäusesiedlungen waren.

Das Buch erhält 7-8 von 10 Punkten.

Mauszeiten ist Tierfantasy im Stile von Romanen wie Unten am Fluß. Boris Schneider anthropomorphisiert seine Figuren wenig: Es sind Mäuse mit den typischen Einschränkungen von Mäusen. Um ein gewisses Angleichen an die menschliche Gesellschaft kommt er natürlich nicht herum. Insgesamt zeichnet er das nachvollziehbare Bild der Odyssee einer Mäusegruppe auf der Flucht vor Giftködern und auf der Suche nach einer Welt voll Licht. Und das in einem wiedererkennbaren München, wobei der Schauplatz letztlich nur ein nettes Extra ist.

Tierfantasy im Münchener Untergrund

München: U-Bahn-Station MarienplatzMit Mauszeiten präsentiert Boris Schneider deutsche Fantasy, die zugleich in Deutschland spielt. Genauer: Die Handlung spielt im Netz der Münchener U-Bahn, für die ein Kartenausschnitt am Ende angehängt ist. Das ist ein schönes Extra. München muss man nicht kennen, um diesen Roman zu mögen. Münchener (und alle, die schon einmal in München waren,) erkennen die Stadt aber wieder. Oder zumindest die U-Bahnhöfe und einzelne Verbindungen zur Stadt, denn ansonsten könnte Mauszeiten in einer beliebigen anderen Stadt spielen. Zwar nutzt der Autor geschickt die lokalen Begebenheiten, aber diese sind nur unwesentlich.

Neben dem Handlungsort München ist das zweite Hauptmerkmal die Gattung Tierfantasy. Diese kann sehr unterschiedliche Ausprägungen haben, von anthropomorphisierten Tieren, die sich nur noch in Details von Menschen unterscheiden, bis hin zu Tieren, die ihre Eigenheiten und Einschränkungen behalten und für den Leser lediglich in menschliche Begriffe gefasst werden.

Boris Schneiders Mauszeiten setzt am zweiten Teil dieser Skala an: Seine Mäuse sind Mäuse mit allen Einschränkungen. Sie gehen weder aufrecht wie Menschen noch haben sie besondere Werkzeuge. Natürlich müssen ihre Sprache und ihr Verhalten ins "Menschliche" übersetzt werden. Boris Schneider beweist ein gutes Gespür dafür, wo er Unwissen einstreuen kann, ohne das Lesen zu erschweren: Hrududus, Lichtdom, Zweibeiner ... diese und weitere Begriffe decken sich offensichtlich nicht mit den Bezeichnungen der Menschen. Ich fand sie leicht zu erfassen und passend, um die Wahrnehmung der Mäuse von der menschlichen Sicht abzugrenzen, ohne zu große Blockaden zu errichten.

Um den Zugang zu Mäusen zu erleichtern, bedient der Autor sich sprechender Namen: Flitz ist eine schnelle Maus, Stummel hat einen kurzen Körper. Furchtsams Name hat seine eigene Begründung - und führt ihn durch seinen Hintergrund ad absurdum. In jedem Fall helfen auch die Namen leicht bei der Identifizierung. Ohne diese, behaupte ich, könnte ein Mensch eine Maus kaum von einer anderen unterscheiden.

Alte Geschichte: Flucht und Suche

Die Menschen Münchens bekommen von der Geschichte um Flitz, Stummel und ihre Begleiter nichts mit. Es gibt Mäuse in der U-Bahn? Parasiten! Fallen aufstellen, gut ist, Thema erledigt. Aus der Sicht von Flitz ist die Handlung des Romans jedoch eine klassische Erzählung: die Flucht vor alten Feinden und die Suche nach einer neuen Heimat, einem Paradies.

Jener Feind taucht gleich zu Anfang auf: Blacksix (die sechste schwarze Maus aus einem Wurf mit nicht gerade kreativen Eltern). Blacksix ist ein Bully, eine egoistische Brutalo-Maus mit eigenen Handlangern, die Stummel für sich will. Dennoch gelingt es Flitz, sie für sich zu gewinnen. Nach einigen Ereignissen zwingt Blacksix ihn und seine Freunde zur Flucht - endlich ist er den verhassten Konkurrenten los! Doch bald darauf folgt er ihn, denn nur Kasta, einer von Flitz' Begleitern, scheint etwas über die lecker riechenden Brocken zu wissen, die Mäuse sterben lassen. Blacksix geht es aber nicht darum, den Marienplatz mit diesem Wissen zu retten...

Jener Kasta ist es, der Flitz und Stummel ein neues Ziel gibt. Denn Kasta viel von oben aus dem Lichtdom und berichtet von einer Welt mit Licht und Bäumen und Pflanzen. Kastas Welt ist daher das Ziel der Mäuse vom Marienplatz. Allerdings nicht aller Mäuse: Flitz' Halbbruder Stony will stattdessen zu den schlauen Mäusen. Diese leben an der U-Bahn-Station Universität. Das macht, wenn man es ganz kritisch betrachtet, keinen Sinn: Mäuse verstehen die Menschen nicht. Warum also gibt es ausgerechnet an dieser Haltestelle auch eine Mäuseuniversität mitsamt Theologie, Geistes- und Naturwissenschaften? Weil es eben doch passt! Im Rahmen Phantastischer Abstraktion hat es eine Logik: Die gelehrten Mäuse sind dort, wo auch die gelehrten Menschen sind. Dass dies streng genommen Blödsinn ist, macht gar nichts. Boris Schneider hält den Besuch bei den Universitätsmäusen zudem recht kurz. Er beweist hier ein gutes Gespür, denn ein längerer Aufenthalt wäre langweilig geworden und hätte vermutlich nicht in die Gesamtgeschichte gepasst.

Langweilig ist die Suche nach Kastas Welt keineswegs: Ratten, diktatorische Mäuse und die Verfolgung durch Blacksix. Auf ihrer Reise wühlen die Marienplätzler manches feste Gefüge auf und gewinnen auch neue Verbündete - ohne zu wissen, wo ihr Ziel eigentlich liegt und wie sie es erreichen können.

Zwischen Vermenschlichung und natürlicher Brutalität

Bei Tierfantasy ist ein gewisser Grad der Vermenschlichung üblich und notwendig. Diesen findet man auch in Mauszeiten. Inwieweit das Verhalten der Mäuse und Ratten natürlich ist, kann ich im letzten Detail nicht sagen. Mir fehlt die Fachkenntnis; im Grunde ist es egal. Zutreffend ist, dass Ratten durchaus Mäuse fressen. Was die Ratten mit Flitz und Co machen, dürfte hingegen eher einer Vermenschlichung geschuldet sein. Zugunsten der Geschichte schlucke ich es, denn es macht das Geschehen weniger brutal, als die Natur es ist.

Brutal und gnadenlos (wie die Natur) ist der Roman trotzdem, gerade Kontrast zum Cover, das auch jüngere Leser anlocken dürfte: Blut spritzt, eine Maus wird von einer Katze gejagt und gequält, Figuren sterben auf üble Art. Der Verlag gibt das empfohlene Alter mit "ab 14" an, was ich tendenziell ähnlich einschätze, vielleicht ein wenig höher, abhängig von den Erwartungen an das Buch. Sicher gibt es plastischere Darstellungen in Büchern und insbesondere Filmen - allein schon Dokumentarfilme aus dem Tierreich. Bei diesen entwickelt der Leser oder Zuschauer aber keine solch emotionale Bindung zu den Handelnden.

Unterhaltung statt Moralisierung, Halb-Offenes Ende

Leicht vergisst man, dass das Ziel der Mäuse von Beginn an ganz nah ist. Die ganze Odyssee quer durch den Münchener Untergrund ist also unnötig - aber eben unterhaltsam, wie so viele Geschichten. Auf spannende Unterhaltung ist auch der Roman selbst ausgelegt. Ja: Teile der menschlichen Gesellschaft spiegeln sich in den Mäusen. Dies ist aber dezent und wird nicht vertieft - nicht einmal beim Hospitieren in einem theologischen Seminar der Mäuse. Viel mehr stehen Flucht und Suche im Vordergrund.

Nur an wenigen Stellen hielt ich inne: Kann eine einzelne Maus wirklich eine Katastrophe verursachen wie hier am vorzeitigen Höhepunkt? Ist es nicht leicht unrealistisch, dass sich Mäuse an der Oberfläche wohlfühlen, die ihr Leben lang nichts als die U-Bahn-Schächte kannten? Das sind Kleinigkeiten über die ich gerne hinwegsehe, zumal Boris Schneider seine Mäuse vergleichsweise realistisch hält.

Es sind keine niedlichen Mäuse, sondern wilde Mäuse. Das Leben ist nicht nett und Flitz' Gruppe zahlt auf ihrer Reise einen Preis. Einen "hohen" Preis möchte ich nicht sagen. Vielleicht eher einen realistischen: Mäuse sterben nun einmal und selten an Altersschwäche - Feinde wie Ratten und Katzen verkürzen das Leben deutlich. Vor diesem Hintergrund gefällt mir das Ende, das zumindest in Teilen offen ist und den weitern Verbleib der Mäuse recht offen lässt - und nicht nur aus dem eitlen Sonnenschein von Kastas Welt besteht.

Fazit: Für Freunde von Tierfantasy und Mäuseliebhabern ein absolut empfehlenswerter Roman.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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