Buch-Cover, Thomas Finn: Schwarze Tränen

Schwarze Tränen

Genre: Urban Fantasy
Verlag: Knaur
Seiten: 541
Erschienen: 03/2014 (Original: 2014)
ISBN: 978-3-426-51349-1
Preis: 14,99 Euro (Softcover)
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Nachdem seine Ex-Freundin ihn übers Ohr haut, folgt der Berliner Trickkünstler und Dieb Lukas ihr nach Staufen. Im Gasthaus zum Löwen muss er feststellen, dass sie ein Sukkubus ist - geschickt von seinem Ahnen, dem Gelehrten Doktor Johann Faust, der seit fast fünfhundert Jahren in der Hölle schmort. Dorthin schickt ein Zauberer den Sukkubus zurück - doch für Lukas sieht es damit keineswegs besser aus. Agrippa von Nettesheim zwingt ihn, sein Erbe einzufordern - und Fausts Höllenzwang erscheint, gemeinsam mit einem Schwarzen Pudel und einem Froschregen. Der Pudel stellt sich als Mephistopheles vor und muss widerwillig zugeben, dass er ein kleines Problem hat: Faust ist es gelungen, Mephistopheles von seinem Thron zu stoßen. Um diesen wiederzuerlangen braucht er die drei Teufelstränen. Eine war auf dem Höllenzwang - und ist soeben zerbrochen. Sowieso ist das ganze lächerlich: Weshalb sollte der Teufel weinen? Dennoch: Mephisto und Lukas haben gar keine Wahl: Der Teufel will seinen Thron wieder und der Plan seines Ahnen bedeutet auch für Lukas nichts Gutes. Zudem scheint die ganze magische Welt hinter Lukas und dem Zauberbuch her zu sein.

Das Buch erhält 8-9 von 10 Punkten.

Mit Schwarze Tränen nimmt Thomas Finn sich des Faust-Stoffes an und gibt der Legende einen modernen Twist. Nicht nur trifft der Leser zusammen mit Lukas Faust auf verschiedene Teufelspaktierer, auch springt er kreuz und quer durch einige der bekannteren deutschen Sagen - und wirft einen anderen Blick auf den Pudel. Pardon, Teufel.

Goethescher Stoff in moderner Form

Goethes Faust ist manchem in (leidvoller) Erinnerung. Muss man sich fürchten, mit Schwarze Tränen ein literarisch unzugängliches Werk zu bekommen? Ist dies nur eine Neuauflage vom "ollen Goethe"? Nein: "Schwarze Tränen" benutzt zwar den Faust-Stoff, ist aber ein typischer Urban Fantasy-Roman. Für mich nettes Extra: Es ist ein Roman, der in Deutschland spielt, zuerst in Berlin, dann in Staufen und schließlich mit einer Rundtour durch mehrere Städte.

Thomas Finn hat auch nicht einfach die Faust-Legende in die heutige Zeit übertragen. Er spinnt sie vielmehr fort: Fausts Geschichte ist nicht damit zu Ende, dass er zur Hölle fährt - sein Plan geht weiter. Mit der Hauptfigur seines Nachfahren greift Thomas Finn auch moderne Dinge auf: Heavy Metal und moderne Technologie. Oft stehen diese in krassem Gegensatz zu den altmodischen Teufelspaktierern, die zu den modernen Dingen nach ihrer Zeit nicht den rechten Zugang gefunden haben.

Teufelspaktierer? Ja, auf diese trifft Lukas Faust (erwähnter Nachfahre) relativ früh. Nachdem die ersten lediglich hinter ihm her sind, um das Geheimnis seines Vorfahren zu erlangen, findet er auch Verbündete - ein eher gespanntes Bündnis, aber immerhin. Mit einem ganz besonderen Angebot des Teufels reisen Lukas und seine zwei Begleiter quer durch Deutschland. Dabei reisen sie auch quer durch die Welt der deutschen Sagen und Legenden, vom Brocken bis zur Sonnenstadt.

Deutsche Sagen und Legenden im Schnellprogramm

Die zentrale Legende des Romans bleibt der Faust-Stoff. Es wundert daher kaum, dass Thomas Finn auf andere Sagen nicht tiefer eingeht: Der grüne Dresden, Laurins Rosengarten und der Nibelungenhort sind Schauplätze ohne tiefere Bedeutung für die Geschichte selbst. Aber es sind passende Schauplätze innerhalb eines mystischen Deutschland.

Noch passender sind jene Orte, die mehr oder weniger direkt mit der Faust-Legende zusammenhängen: der Hexensabbat auf dem Brocken etwa - und selbstverständlich ein gewisser Schwarzer Pudel. Der Grüne Dresden oder die Sonnenstadt Karlsruhe sind etwas weiter hergeholt, schmiegen sich aber ohne Probleme in den Stoff ein - wie auch die "klassischen" Teufelspaktierer.

Von den Anspielungen auf Sagen, Legenden und besondere Orte profitieren vor allem Fantasy-Fans mit einem gesunden Grundlagenwissen. Man kann Schwarze Tränen lesen, ohne je von Agrippa, Stradivari, dem Gasthaus zum Löwen und vielleicht sogar ohne von Johann Faust gehört zu haben. Aber dann verpasst man die vielfältigen Anspielungen. Diese wirken nämlich gerade nicht durch eine tiefgehende Aufbereitung ihres eigenen Sagenstoffen, sondern durch ihre Erwähnung. Sie erschaffen ein magisch-mythisches Umfeld, in dem der Faust-Stoff glaubwürdiger erscheint als wäre er das einzige Übernatürliche der Welt. Ich denke: Der Autor kann sich zu Recht darauf verlassen, dass deutsche Fantasy-Fans bereits von den Nibelungen gehört haben.

Was bedeutet ein Teufelspakt?

Was ist aber mit der eigentlichen Handlung, warum schreibe ich so wenig dazu? Weil sie nüchtern betrachtet alt und einfach ist. Aber nicht missverstehen: Thomas Finn setzt diesen alten Plot exzellent neu um: Unwissender Held bekommt Probleme, muss mit Feinden/Fremden zusammenarbeiten, reist quer durch Deutschland um Hinweise zu finden und aus der ganzen Angelegenheit herauszukommen. Das klingt so ziemlich banal.

Interessant macht die Geschichte die besonderen Umstände, zu denen zentral auch der Teufelspakt zählt: Lukas geht keinen ein - seine Verbündeten schon. Es stellt sich daher die Frage: Ist jemand, der einen Teufelspakt eingeht, grundsätzlich böse?

Lukas' erste Erfahrungen deuten in diese Richtung: Dem Zauberer Agrippa lag nur an sich selbst; auch der Schwarze Pudel Mephisto will ihn nur allzu gern mit einem Pakt an sich binden. Aber bald zeigt sich, dass dies nicht für alle Paktierer gilt. Manche sind nicht böse, bedauern ihre Entscheidung und suchen einen Ausweg. Paranoia und Misstrauen kommen in den Jahrhunderten der Unsterblichkeit und schwelendem Konflikt mit der Hölle und anderen Paktierern von selbst. Im Zweifelsfall rettet jeder lieber sich selbst, um der Verdammnis zu entfliehen. Aber Lukas' Verbündete Abraham und Millepertia sind im Grunde recht anständige Menschen, die einst einen Fehler begingen. Der gleiche Fehler wie Johann Faust: Ihre Seele für Wissen verkaufen - nur dass Fausts Plan noch ein ganzes Stück weiter reichte und auch seinen Nachfahren einschloss.

Diese Lösung finden diese beiden im Angebot des Pudels: Wenn sie ihm seinen Thron zurückbringen, hebt er den Pakt auf. Natürlich kann er dies nur dann tun, wenn er wieder auf dem Höllenthron sitzt. Und um das zu erreichen müssen Lukas, Mille und Abraham die Schwarzen Tränen finden - vor Johann Faust.

Viel Humor, wenig Action, Rasante Handlung

Dabei kommt es gelegentlich zu direkten, actionlastigen Auseinandersetzungen. Die meiste Zeit verbringt der Roman jedoch eher ruhig mit dem Aufbau von Figuren und Umfeld. Konstante Quelle des Humors ist die Beziehung von Lukas und Mephisto - der selbst in seiner derzeitigen Form einen gewissen Biss an den Tag legt. Verzweiflung, Selbstkasteiung und ein Hadern mit den eigenen Schicksal sucht man hier vergeblich - auch bei den Teufelspaktierern. Sie sind zwar vorsichtig und zurückhaltend, jedoch gewillt, etwas zu tun statt sich in endlosem Lamentieren zu verkriechen. Dadurch heben sie sich ein wenig von häufigen, depressiven und verzweifelten Stereotypen ab. Zentrale Figuren bleiben trotzdem Lukas und Mephisto: Die Namen der Teufelsanbeter sind zwar nicht unbekannt, verleihen ihnen einen Zusatz an Individualität, aber sie bleiben Nebenfiguren.

Dennoch wäre es falsch, Schwarze Tränen insgesamt als actionlastig zu beschreiben. Es gibt gelungene, actionreiche Konflikte an zentralen Punkten. Aber die meiste Zeit sind Lukas und Anhang auf einer eher recherchierenden Suche nach Lösungen - ein sofortiger Kampf würde sie nicht weiterbringen: Faust sitzt derzeit am längeren Hebel. Zwar müssen sie ihre direkten Gegner irgendwie besiegen, aber in einer Schlacht scheint dies unmöglich. Langweiliges Suchen und Rätseln muss man hier aber nicht befürchten: Es geht schnell von einem Hinweis zum nächsten Ziel - sei es eine weitere Träne oder jemand, der helfen kann.

Die Schwarzen Tränen des Teufels: Weitere Enthüllungen

Der Plan des Doktor Faust schließt noch einige Dinge mehr ein, die dem Leser und den Charakteren erst im großen Finale enthüllt werden Was hat es mit den drei Tränen des Teufels auf sich? Mephistopheles leugnet vehement: Das ganze ist doch lächerlich! Welchen Grund hätte er denn zu weinen? Worüber?

Ja, worüber? Diese finale Enthüllung gibt der Geschichte noch einmal einen Twist, passt aber. Denn der Teufel ist zwar immer noch der Teufel und das Böse in Person - aber bei weitem nicht die unsympathischte Figur des Romans. Ohne zu viel zu verraten sei hier nur noch gesagt: Schwarze Tränen stützt sich auf eine nicht unbekannte Interpretation des Morgensterns und enthüllt dabei eine neue Facette seiner Existenz.

Und das Ende ist nicht das Ende - das amüsante Gespann aus Lukas und Mephisto hat sich nun länger am Hals. Deutet dies auf eine Fortsetzung hin? Gerne! Diese Geschichte ist zwar abgeschlossen, wie sogar der letzte Satz passend bemerkt, aber dies ist nicht das Ende aller Geschichten. Ich würde mich über ein Wiedersehen mit den beiden freuen.

Schwarze Tränen ist gelungene Urban Fantasy in Deutschland, die den Leser nicht nur mit der Fortsetzung eines der bekanntesten literarischen Stoffe fesselt, sondern auch mit der exzellenten Verwendung der deutschen Sagenwelt.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .


Leseprobe

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Zitat(e) aus dem Buch

  • "In früheren Zeiten hat man Männer wie mich als Zauberer, Hexenmeister oder Schwarzkünstler diffamiert. Ich bevorzuge die Bezeichnung Universalgelehrter."
  • "Mehr Zuversicht, Freunde! Das Schicksal der Welt ruht jetzt in den Händen von Betrügern und Dieben, und der Teufel selbst lenkt ihre Schritte. ... Anders ist es ja sonst auch nicht."
  • "Die Zauberkunst, also das, was wir Normalos darunter verstehen, ist keine einfache Freizeitbeschäftigung. Sie ist eine Lebenseinstellung. Seine Seele an den Teufel verkaufen kann schließlich jeder. Doch jemandem die Sinne zu täuschen und ihm etwas vorzugaukeln, das gar nicht existiert, das ist wahre Kunst."
  • "... Was jedoch das Ringen um eure Seelen anbelangt ... das wird wohl bis in alle Ewigkeit so weitergehen."

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