Buch-Cover, Eli Brown: Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel

Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel

Originaltitel: Cinnamon and Gunpowder [AME]
Autor: Eli Brown
Übersetzer: Sabine Thiele
Genre: Historischer Roman
Seiten: 384
Erschienen: 11/2014 (Original: 2013)
ISBN: 978-3-426-19950-3
Preis: 19,95 Euro (Hardcover)
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Das Leben ist gut für den jungen Koch Owen Wedgwood. Doch all das bricht zusammen, als am 18. August 1819 die Piratin Mad Hannah Mabbot in das Anwesen seines Herrn stürmt und Lord Ramsey erschießt. Zunächst scheint es, als komme Owen immerhin mit dem Leben davon, doch Mabbot hat andere Pläne: Owen wird ihr Gefangener. Auf dem Piratenschiff Flying Rose muss er nun jeden Sonntag ein außerordentliches Menü für die Kapitänin zubereiten, oder selbst ein Menü werden. Für die Haie.

Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.

Beim ersten Blick auf Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel erwartete ich einen vorwiegend humoristischen Roman vor dem Hintergrund von Piraten und Kochen mit Schwierigkeiten. Wer dies erwartet, mag enttäuscht werden - aber gleichzeitig wird er mit einer spannenden, vielschichtigen und Geschichte entschädigt.

Scheherazade als Piraten-Koch

Mit Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel kombiniert Eli Brown zwei bekannte Plots auf interessante Weise. Offensichtlich ist die Piraten-Tradition des Romans. Weniger offensichtlich ist der entführte Koch, der gezwungen wird, jede Woche ein Gericht auf den Kapitänstisch zu bringen.

Schaut man sich jedoch in der Weltliteratur um, kommt man recht schnell auf einen Ideenspender: die Geschichten aus 1001 Nacht. Hier musste Scheherazade zwar nicht kochen, aber doch eine Geschichte nach der anderen erzählen, um ihr Leben zu retten.

In dieser Tradition kocht auch Owen Wedgwood um sein Leben. Natürlich ist auch die Figur des entführten Meisterkochs auf einem kulinarisch nicht allzu gut ausgestattetem Piratenschiff ein interessanter Twist.

Piratenroman, Schatzsuche, Intrige, Seeschlachten - wenig Humor

Bei diesem Titel könnte man einen Roman erwarten, der vorwiegend auf Humor abzielt. Auch ich tat dies, aber ein humoristischer Roman ist die Kanonenkugel nicht. Zugegeben: Der Titel klingt interessant und die Kanonenkugel kommt vor. Aber er hat doch einiges an Potenzial zum Irreleiten. Der Originaltitel Cinnamon and Gunpowder (Zimt und Schwarzpulver) ist nüchterner, aber treffender. Ich fand mich mehr als entschädigt. Aber wer Gags am laufenden Band sucht, womöglich noch im Stile von Fluch der Karibik, wird in dieser Hinsicht enttäuscht.

Das heißt nicht, dass dieser Roman humorlos ist - aber er spielt Humor und Klamauk nicht in den Vordergrund. Das liegt auch daran, dass Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel einige Gattungen und Motive kombiniert: Es ist ein Piratenroman, eine Abenteuergeschichte mit der Jagd auf eine Art Schatz. Es gibt Seeschlachten und Meeres-/Seeromantik; es gibt Konkurrenz zwischen Piraten (mit einer ganz besonderen, geheimen Verbindung) und eine gute Prise Intrige und Sabotage.

Von Owen Wedgwood als Tagebuch geschrieben, ist dies auch ein Tagebuchroman - der gleichwohl viel wörtliche Rede und direkte Handlung benutzt. Schließlich ist der Roman auch geschichtlich klar verortet und kann als Historischer Roman bezeichnet werden.

Historischer Hintergrund: Opium-Handel

Als Historischer Roman hat Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel eine (unechte) Schwäche: Hannah Mabbot, die Pendleton Trading Company und einige Hauptcharaktere hat es nie gegeben. Zumindest, soweit ich das recherchieren konnte. Einige Ideen muten zudem leicht phantastisch an, wie ein besonderes Kriegsschiff und die Geschwindigkeit von Mabbots Flying Rose. Vergleicht man die Datumsangaben mit üblichen Zeitangaben für diese Reise, war Mabbot erstaunlich schnell. (Noch Jahrzehnte später brauchten die schnellsten Schiffe rund 100 Tage von England nach China, Vgl. Das Große Teerennen von 1866.)

Dennoch passt Historischer Roman als Bezeichnung am besten. Kleinere Ungenauigkeiten schlucke ich gerne. Und auch wenn die Figuren historisch nicht existierten, so ist das Setting historisch. (Und einige Namen könnte man mit Leichtigkeit gegen echte austauschen: Pendleton Trading Company gegen East India Company, zum Beispiel.) Hier baut Eli Brown vor allem auf dem Opium-Handel und den späteren Opium-Kriegen auf. Einige der Hintergründe dieses Handels werden dem Leser klar, wobei das Erklären gelungen nebenbei geschieht. Es wirkt weder wie Exposition noch steht es der Geschichte im Weg.

Ironischerweise ist dies einer meiner Kritikpunkte: Ich hätte mir eine Seekarte mit der Reiseroute gewünscht. Vielleicht sogar einige Erklärungen zur historischen Situation im Glossar zusätzlich. Sicher, das Internet erlaubt schnelle Recherchen - aber für den Zeitraum der Handlung ist das gar nicht so leicht zu finden. Auch einige von Owens Rezepten hätte ich gerne nachgekocht. Die Geschichte selbst funktioniert jedoch auch ohne diese Extras.

Unmoralische Moral: Piraten und Engländer

Denn die Hauptfigur macht eine große Wandlung durch und entdeckt mit dem Leser, was hinter den Piraten steckt. Verflucht Owen Wedgwood zu Beginn noch sein Schicksal und versucht, den gottlosen Piraten zu entfliehen, so wird er später gezwungen, umzudenken. Zeit seines Lebens kannte er Lord Ramsey als guten Menschen und arbeitete gern für ihn. Nie hat Owen aber gesehen, wie der Reichtum seines Arbeitgebers entstand.

Mad Hannah Mabbot hingegen kennt die Auswirkung des Opiums nur allzu gut. Sie ist nicht nur Piratin, sondern hat auch eine ganz persönliche Mission - ihr Anschlag auf Lord Ramsey kam nicht beliebig. Als Owen später aus nächster Nähe erfährt, wie die "guten" Engländer und die englische Navy tatsächlich handeln, was die "guten" Menschen kaltblütig tun, wird sein Weltbild erschüttert: Die Marine des Empires und die Handelskompanien sind keineswegs die Verkörperung einer göttlichen Ordnung. Wenn überhaupt, kämpft hier ein Schurke gegen den anderen. Auf der Strecke bleiben die asiatischen Opiumbauern.

Sympathisch-Individuelle Piratencrew

Näher als Opiumbauern stehen Owen jedoch die Piraten auf der Flying Rose. Über den gesamten Roman entwickelt sich vor allem seine Beziehung zur Kapitänin; aber auch die anderen Piraten lernt er näher kennen. Erfrischend ist die Individualität der Piraten, die, auch wenn es manchmal seltsam erscheint, durchaus realistisch ist: Der bullige Bootsmann Mr. Apples strickt und versorgt sogar Owen mit einem neuen Kleidungsstück. Er kann grausam bestrafen - aber insgesamt kümmert sich die Crew umeinander wie eine Familie, nicht wie ein Haufen Halunken.

Anderen Crewmitgliedern handelt Owen Fische und Muscheln ab - oder steht ihnen als Landratte gelegentlich im Weg. Ein miserabler Smutje, mehr als ein Liebespaar - jeder der Piraten hat ein Geheimnis oder eine Besonderheit, die Owen nach und nach entdeckt. Stoische Zwillingschinesen mögen zum Typischen gehören, aber Eli Brown mischt nicht nur hier östliches und westliches, wie Meditation, in überzeugend zusammen: So mögen sich die Kulturen auf den Schiffen tatsächlich vermischt haben. Wie beim historischen Hintergrund ist Brown hier dezent und flicht dies in die Handlung ein.

Oft ist Owen über das Piratenleben schockiert, aber nach und nach erkennt er: Vielmehr als gottloses Gesindel sind sie auch Menschen, die ein hartes Leben führen, die alle ihre eigenen Ziele haben und die das Leben auf verschiedensten Wegen auf das Schiff brachte. Es ist ein Leben, das sich vermutlich nicht so sehr von dem manchen Navy-Soldaten unterscheidet - und das im Kanonendonner dieses Buches manchmal schnell endet.

Bisweilen brutal und dadurch akkurat

Denn viele Piraten sterben. Bei einigen mag man bedauern, nicht mehr erfahren zu haben. Gerade dadurch wird das Buch aber akkurat. Wenn zwei Schiffe Breitseiten aufeinander feuern, splittert Holz, sterben Menschen. Eli Brown gelingt es, durch die Seekämpfe Spannung zu erzeugen, ohne sie in selbstherrliche Action-Szenen oder Splatter-Orgien zu verwandeln. Schafft Mad Hanna Mabbot es, mit ihrer Crew zu entkommen? Beeindruckender als die Kämpfe ist das still ablaufende Drama.

Sollte Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel einmal in Hollywood verfilmt werden, bin ich mir sicher, dass eines geändert würde: das Ende. Dies ist für mich aber ein Punkt zugunsten des Romans! Nicht alles ist gut, nicht alle Piraten sind plötzlich edel und genießen ihr Gold. Sie sind immer noch Piraten, auch wenn ihre "Mission" sie aus heutiger Sicht moralisch erhebt. Manch einer mag Wehmut spüren und in gewisser Weise ist das Ende auch harsch. Aber gerade dadurch gewinnt es (selbst bei komplett erfundenen Figuren) Glaubwürdigkeit. Denn mit diesem Ende, und nicht mit einem sorglosen Leben, könnte die Geschichte von Hannah Mabbot, Owen Wedgwood und den Piraten der Flying Rose durchaus geendet haben.

Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel ist ein Piratenroman vor dem Hintergrund des Opiumhandels. In Person des Kochs Owen Wedgwood erzählt Eli Brown eine spannende Geschichte und ermöglicht Einblicke in den realhistorischen Opiumhandel. Besonders empfehlenswert für Freunde von Piratengeschichten und Historischen Romanen.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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