Buch-Cover, Heike Korfhage: Flammen über Drachstaad

Flammen über Drachstaad

Serie: IsrogantGenre: Realistische Fantasy
Seiten: 340
Erschienen: 09/2016 (Original: 2016)
ISBN: 978-3-942357-25-8
Preis: 12,49 Euro (Softcover)
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Drachstaad: eine kleine Region in Isrogant, bergig, nicht sonderlich bedeutend. Aus der großen Politik hält man sich heraus, mit den Nachbarn kommt man gut aus. Doch König Gunder will nun eine Armee aufstellen, mit einer Einheit aus Drachen, wie man sie zu den Zeiten Adjagards kannte - denn die Nachbarn sollen nunmehr eine Bedrohung sein. Gunders Vetter, Graf Helme von Draepon, hält nichts von dieser Idee. Draepon geht es gut. Hier ist man mit den alten Rassen von Elben und Zwergen befreundet. Ihre Technologie leitet Vulkanwärme in Gewächshäuser und versorgt ganz Drachstaad mit Nahrung. Und die Drachen? Das sind zahme, menschenfreundliche Wesen, die nur zur Selbstverteidigung kämpfen. Doch auch die Feuerkirche der zweiten Offenbarung hat jüngst Interesse an Drachstaad entwickelt - und Nichtmenschen verfolgt sie brutal. Auch wenn Graf Helme sich nur um Draepon kümmern möchte ... kann er das?

Das Buch erhält 9 von 10 Punkten.

Flammen über Drachstaad ist ein typischer Isrogant-Roman: Es gibt klare Sympathieträger, aber das klassische Böse existiert nicht. Isrogant-Leser kennen bereits den Fanatismus der Feuerkirche, die alle "gottlosen" Nichtmenschen verfolgt, und rückt sie somit von Beginn an in die Position der Schurken. Dennoch bleibt dies Fantasy, die es sich nicht mit gut-gegen-böse einfach macht. Heike Korfhage beschäftigt sich dabei mit aktuellen Problemen: mit Religion und Kirche, eigener Verantwortung und dem "Fremden".

Drachen von Drachstaad

Das ungewöhnliche Isrogants zeigt sich bereits in den Drachen. Außer dem Namen und der Fähigkeit, Feuer zu speien, haben sie mit den klassischen Fantasy-Drachen wie Smaug wenig gemein. Die Drachstaader Drachen sind Tiere - Wildtiere zwar, aber menschenfreundlich, denn über viele Generationen lebt man hier gemeinsam. Und sie sind friedfertig: Eine Verletzung eines Revierkonkurrenten bedeutet das sofortige Ende eines Kampfes.

Menschen hingegen halten sich die Drachen als Wachhunde. Denn greift jemand ihr Gelege oder ihr Heim und ihre Menschen an, legen die Drachen jegliche Zurückhaltung ab und kämpfen bis zum Äußersten. Drachenhändler wie Gor Rifgem machen daher in ganz Isrogant lukrative Geschäfte: Die Mächtigen wollen einen Drachen; einen großen, gewaltigen Drachen, der eine Armee zurückhalten kann. Dazu taugen die kleinen Hof- und Schoßdrachen natürlich nicht. Aber die Drachen aus Zucht werden immer kleiner - einzig in Draepon legen Wilddrachen noch regelmäßig Eier und bleiben schön groß. Aber Graf Helme hält sich sehr zu Gor Rifgems Leidwesen an alte Traditionen.

Draepon: Konservative Grafschaft

Eine jener Traditionen besagt: Aus jedem Gelege wird nur ein Ei fortgenommen und davon weicht Helme kein Stück ab. Dabei könnte man so viel mit diesen Drachen verdienen! Aber Draepon braucht das Gold nicht: Dank der Freundschaft der Elben und Zwerge geht es der Grafschaft gut - und dank des einzigen sprechenden Drachen Nermaal. An der großen Welt hat Graf Helme hingegen wenig Interesse. Er kleidet sich einfach, agiert pragmatisch und ist vor allem um sein Draepon besorgt.

Doch über eben jenes Draepon schieben sich dunkle Wolken: König Gunder, Graf Helmes Vetter, will ein Drachenregiment aufstellen. Außerdem hat Helmes junge Gattin einige Priester der Kirche der Zweiten Offenbarung eingeladen. Ausgerechnet! Wenn es nach ihm geht, kann jeder glauben was er will - aber die Flammenkirche ist für die Verfolgung von Nichtmenschen bekannt. Und die sind in Draepon alte, geschätzte Freunde.

Religion: Angst und weltliche Macht

Über dieses Missgeschick ist Isabell, Helmes Frau, sehr betrübt. In ihr zeichnet Heike Korfhage ein exzellentes Bild vom indoktrinierenden Einfluss einer Kirche: Isabell ist jung, hörte stets die Worte der Priester und fürchtet sich vor seelenlosen Drachen, Elben und Zwergen. Sie kennt sie nicht und hat Angst, ihr eigenes Heil zu verlieren. Aus Liebe zu ihrem Mann wagt sie sich trotzdem an diese heran. Sie ist überrascht, zurückhaltend und zögernd, lernt aber (von selbst!), die Aussagen der Kirche infrage zu stellen. Heike Korfhage gelingt es außerordentlich gut, diesen langsamen Wandel darzustellen - mitsamt einem Augen öffnenden Ereignis zu Beginn des Finales. Gerade hier kann man Parallelen zu unserer Welt ziehen - und ich spreche nicht von der fernen Vergangenheit.

Die meisten Isrogant-Leser dürften der Kirche der Zweiten Offenbarung gegenüber negativ eingestellt sein: Flammenzüge und Fremdenverfolgung prädestinieren sie für die Rolle des Bösen. Und auch in Flammen über Drachstaad wird deutlich, dass es dieser Kirche nicht um das Seelenheil der Menschen geht, sondern um weltliche Macht. Um diese zu erlangen, schreckt sie auch nicht vor Handlungen zurück, die der eigenen Lehre zuwiderlaufen.

Großartige Figurenentwicklung

Viel Moral, viele Denkanstöße stecken in diesem Roman - im Detail mehr als ich hier anreißen kann. Dennoch schwingt die Autorin sich nie zu einem moralischen Urteil auf. Vielmehr lässt sie die Probleme durch die Figuren deutlich werden. Helme, Isabell und auch Nermaal bieten sich als Sympathieträger an. Zu ihnen gesellen sich aber weiter Figuren, zwischen deren Perspektiven der Roman wechselt. Und typisch Isrogant: Keine der Figuren ist ohne Fehler.

Graf Helme interessiert nicht, was außerhalb Draepons geschieht - und sieht dies erst spät als vielleicht seinen großen Fehler. Denn letztlich lässt er seinen König so ins Messer seiner Feinde laufen, statt ihn zu beraten. Seine Frau Isabell durchlebt die beinahe heldenhafteste Wandlung von der verängstigten Kirchengläubigen hin zur tüchtigen, pragmatischen Gräfin, die sich ihre eigene Meinung gebildet hat.

Ernüchtert wird hingegen der Bauernsohn Miched: Er meldet sich zur Armee und wird mit der brutalen, dreckigen Realität konfrontiert. Als Prügelknabe seiner Truppe lernt er, dass Krieg nicht Ruhm und Ehre bedeutet, sondern Leid und Schmerz. Selbst der Drachenhändler Gor Rifgem muss feststellen, dass es ihm nicht um Profit geht, wie er zuerst selber denkt. Er liebt die Drachen viel zu sehr, um ihnen zu schaden - und riskiert schließlich sogar sein eigenes Leben.

Einige dieser Entwicklungen konnte man erahnen - was aber nichts daran ändert, dass sie außerordentlich gelungen sind und allein durch das veränderte Begreifen der Figuren der Anstoß zum Nachdenken über des moralisch Richtige erfolgt.

Das größere Isrogant

In Isrogant siegen keine Helden. Sympathieträger haben ihre Fehler und finden sich oft in Positionen, die sie sich nie gewünscht haben. An einigen Stellen klingt das Geschehen im großen Isrogant auch in dieser Geschichte über das kleine Drachstaad an: Die She-Bashi, beispielsweise, die wider Willen in einen politischen Konflikt gezogen wurden. Hier gibt es einige thematische Anklänge an Diktatur, allerdings mit etwas positiverem Ausblick auf die Zukunft - jedoch gleichsam offen.

Und natürlich ist die Kirche der Zweiten Offenbarung ein Thema, die Isrogant mit ihren Flammzügen überzieht und Zauberer sowie Nichtmenschen gnadenlos verfolgt. Diese kommt hier vielleicht etwas zu kurz. Erst jüngst in Isrogant Erzählungen 3 (Rezension folgt. Schon vorab: Klare Kaufempfehlung!) wurde ein Unterschied gemacht zwischen der Offenbarung und was die Kirchendoktrin daraus macht - und dass dies nicht dasselbe ist, sieht sogar mancher Priester so. Dies hier auch noch aufzugreifen, hätte den Roman aber zugegeben überlastet, der in bestehender Form einen guten Spannungsbogen bietet.

Abschließend muss ich darauf hinweisen, dass Drachen-Fans sich vermutlich etwas anderes von diesem Roman erwarten. Zwar sind Drachen "irgendwie" im Zentrum der Erzählung, aber eben ganz anders, als man es erwartet. Fans realistischer, gedankenvoller Fantasy, die sich oft auf Probleme unserer Welt übertragen lässt, können jedoch beherzt zugreifen. Das muss ich keinem Isrogant-Leser erzählen: In dieser Hinsicht kann man mit Isrogant nur richtig liegen.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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