Buch-Cover, Richard A. Jones: Athanor - Geschichten des Nordens

Athanor - Geschichten des Nordens

Genres: Kurzgeschichten; Realistische Fantasy
Seiten: 206
Erschienen: 12/2009 (Original: 2009)
ISBN: 978-3-9813439-0-8
Preis: 14,90 Euro (Hardcover)
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Wertung: 3/5 Grimoires; 7/10 Punkte, Gut

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Mit "Athanor - Geschichten des Nordens" präsentiert die Infinite Monkeys Press ein Buch, das aus den üblichen Fantasy-Werken heraussticht. Der Einband ist schlicht rot-braun und lediglich mit silbern eingelassenem Titel und dem Namensgebendem Athanor, einem alchemistischen Brennofen, versehen. Dieses schlichte, unverzierte, geradezu prosaische Cover fängt auch den Geist des Kurzgeschichtenbandes ein: Athanor bietet keine typische Fantasy.

"Geschichten des Nordens" bietet 21 Kurzgeschichten, die nicht miteinander verbunden sind und nur gemein haben, dass sie in der Welt Athanor spielen. Diese Welt ist zugleich der Schauplatz des Rollenspiels Athanor und zeichnet sich durch die bewusste Anstrengung aus, die Fantasy zu "entromantisieren". Schaut man auf den deutschen Markt, so scheint dies eine Art urdeutsche Tugend zu sein: Man nehme das Rollenspiel Das Schwarze Auge (immerhin das erfolgreichste auf dem deutschsprachigen Markt) und vergleiche es mit dem amerikanischen Dungeons and Dragons. Wo die US-Spieler mit Über-Helden Drachen abschlachten wurde im deutschen Rollenspiel immer Wert darauf gelegt, dass solche Wesen etwas selten und etwas Besonderes sind; selbst Orks und Goblins haben hier eine eigene Kultur und sind nicht bloßes Massenschlachtvieh.

Athanor schlägt einen ähnlichen Weg bei den Kurzgeschichten ein und betont noch stärker die Sterblichkeit des Einzelnen. Keine der Kurzgeschichten folgt einem "Helden" im heroischen Sinne. Der junge aufstrebende Bauer der zu einem Bogenschiesswettbewerb auszieht gewinnt nicht glorreich; der Offizier kann seinen Helden und Lebensretter selbst nicht retten; der Archäologe macht nicht den Fund des Jahrhunderts. Der Beutezug eines Goblins gegen gar grauslige Monster bringt ein wenig Humor ein; aber es wird nicht alles gut: das romantische Heldentum weicht einer eher düsteren Prosa; Alltagspragmatismus und –zwang bestimmen viele Handlungen. Die Entromantisierung der Fantasy ist in der Tat gelungen, das Ergebnis ist "realistisch", wenngleich auch hier Magie und Götter existieren. Dennoch versuchen die Geschichten, sich eine Pointe zum Schluss zu bewahren, was meist gelingt. Die verwendete Sprache spiegelt dies exzellent wieder: wie der Einband ist sie vergleichsweise nüchtern, prosaisch, ohne Ausschmückung oder ellenlange Beschreibung. Nur gelegentlich schleicht sich ein Wort ein, das nicht so recht zum Rest passen will, beispielsweise "Nomadismus" - inmitten der simplen Sprache sticht dieses Wort geradezu hervor. Diese simple Sprache ist keinesfalls Gegenstand von Kritik: Sie ist den Geschichten angemessen; sie passt. Einige Völker sind an Fantasy-Klassiker angelehnt oder an reale Vorbilder, was sprachlich nicht immer 100%ig funktioniert: Bei "Nordmanen" (über Nordmannen, eine nordisch angehauchte Kultur) fragte ich mich immer wieder, ob es denn auch "Süd-Manen" gibt. Durch das lang gezogene "a" ergibt sich hier für mich eine ganz andere Bedeutung als bei "-mannen", was mich öfter im Lesefluss stolpern ließ.

Um noch einmal aufs Rollenspiel zurückzukommen: Wer je DSA spielte, dem sind die "Meisterbände" und "Hintergrundinformationen" zu verschiedenen Kulturen bekannt. Athanor - Geschichten des Nordens erinnert in mancher Hinsicht an diese Kultur- und Hintergrundinformationen; nicht an den deskriptive Teil sondern an jene Parts die durch typische, alltägliche Geschichten und momentane Aufnahmen aufgelockert wurden.

Drei Dinge mag man kritisieren: Erstens den fehlenden Zusammenhang der Geschichten, der stärker ausgeprägt ist als bei anderen Kurzgeschichtensammlungen. Zwar spielt alles in einer Welt, jedoch gibt es nur zwischen zwei Geschichten eine direkte Verbindung; ein Name taucht später - aber wohl eher zufällig - erneut auf. Ebenso kann man auch die Länge der Geschichten kritisieren, die selbst für Kurzgeschichten nicht lang sind. Wie erwähnt erinnern sie an die auflockernden in-Welt Texte von Meisterinformationen. Diese lesen viele Spielleiter und Spieler sicher gerne, aber viele der Geschichten sind eben eher "Kürzestgeschichten" oder Kurzeinblicke als "echte Kurzgeschichten". Es gibt keine gößere, übergeordnete Handlung - und auch die Welt hat für mich zum Schluss keine konkrete Form gewonnen.

Zweitens ist es eine geradezu ironische Vorhersehbarkeit. Ja, wir haben nicht mehr das typische Ende "Held zeigt Mut, alles gut" - und gerade dadurch kann man leicht vorhersehen, dass es eben schief geht, denn das tut es fast immer. Doch auch hier gibt es einige Überraschungen, denn wie und warum es schief geht ist nicht immer schnell klar - und manchmal ist es durchaus nicht klar, wie beispielsweise in der Geschichte "Wahn".

Der letzte Kritikpunkt ist gewissermaßen unfair: Athanor ist keine handelsübliche Massen-Fantasy. Fantasy ist üblicherweise auf den Strukturen der Romanze aufgebaut; Fantasy hat üblicherweise einen siegenden Helden, wie man es beispielsweise auch aus Märchen kennt. Viele Leser wollen strahlende Helden sehen. Und hiermit bricht Athanor - bewusst. Athanor ist "realistische Fantasy", die immer noch eine erfundene Fantasiewelt, aber "historisch korrekter" und logischer als die meisten. Persönlich begrüße ich solche Werke inmitten der alles erreichenden Helden, jedoch wird nur die Zeit zeigen können, ob ein wirklich breiter Markt für solche Geschichten vorhanden ist: es ist schlicht nicht typische Fantasy. Dies ist eine Stärke. Zugleich ist es aber vielleicht auch eine Schwäche.

Fazit: Realistische Fantasy ohne Helden für alle, denen unbesiegbare und schicksalsgeleitete Helden zum Halse heraushängen und die sich eine neue Welt gerne auch durch fragmentarische Einblicke erschließen. Am interessantesten ist das Werk dabei vermutlich für jene, die mit dem Rollenspiel liebäugeln und ein paar eindrücke gewinnen möchten. Als pure literarische Lektüre wirkt es doch ein wenig fragmentarisch.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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Lesermeinungen:

Name: Gast Bewertung: Wertung: 5/5 Grimoires; 9/10 Punkte, Sehr gut (9) Datum: 12.02.2011 09:25:08
Ich habe das Buch nun auch endlich mal gelesen. Nico hat völlig recht: Das Buch ist schon etwas sehr Spezielles. In meinem Bücherregal (und das ist nicht klein) steht kein Buch, das Athanor auch nur ähnelt! Weder optisch noch inhaltlich.

Es fehlt ein Bild auf dem Cover - oder doch nicht? Das Design wirkt passend zum Inhalt.

Nach dem Lesen bleibt bei mir ein unschönes Gefühl zurück - nicht Enttäuschung über das Buch, sondern eine düstere Stimmungslage. Atmosphärisch Top!

Der Preis ist meines Erachtens fair gewählt. Gebunden, Leder und Leseband gefallen mir sehr.

Wenn auch nicht für jeden interessant, ist es definitiv den Kauf wert - wenn auch nur als Deko, wenn man herkömmliche Fantasy bevorzugt.

 
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