Buch-Cover, Isabella Benz: Gesänge aus Dunklen Zeiten
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"Gesänge aus Dunklen Zeiten" ist eine Kurzgeschichtensammlung von mehreren Autoren. Die Anthologie folgt dabei der Prämisse: Was wäre, wenn Magie wirklich existierte? Oder was wäre, wenn an einer kleinen Biegung der Weltgeschichte ein Funken von Magie entschieden hätte, was passiert? Wäre die Welt immer noch die gleiche oder wäre sie entschieden anders?

Das Buch erhält 9+ von 10 Punkten.

Ich mag historische Fantasy. Diese Kategorie beschreibt die Geschichten am besten, auch wenn einige ganz ohne "reale" oder nur behaupteter Phantastik bzw. Fantasy auskommen. Ein gewisses Faible für die Historik muss man bei dieser Gattung mitbringen. Sofern man aber nur im geringsten dazu neigt: Zugreifen! Was diese 15 Autoren mit vergleichsweise geringem Auslöser aus der europäischen Geschichte machen ist einfach großartig!

Historik mit einem Funken Magie

"Gesänge aus dunklen Zeiten" haben eher wenig mit Musik zu tun. Am ehesten wohl noch in der Geschichte von Detlef Klewer, in der Walther von der Vogelweide die zentrale Rolle spielt. Die Prämisse der Anthologie ist ebenso einfach wie gelungen: Man nehme unsere verbürgte Geschichte, die Historik. Dann stelle man sich die Frage, wie es hätte anders sein können.

Die Anthologie tut dies nicht mit großen Umwälzungen. Nein, das Römische Reich wurde nicht von Echsenmenschen oder Untoten gegründet; in der Frühzeit gab es keine Magierkriege oder dergleichen. Die Magie, die hier auftritt, ist dezent. Sie spielt in den Lücken der Weltgeschichte; dort, wo "rationale Schreiber" sie ignoriert haben könnten.

Was wäre beispielsweise, wenn man einen Einblick in die Visionen einer Jeanne d'Arc erhielte ... und dieser gar nicht gefällt, was sie dort sieht? (Sind Visionen überhaupt Magie?) In anderen Geschichten spielt die Magie eine deutlichere Rolle wie etwa in "Granadas Roter Sonne", das stark von 1001 Nacht beeinflusst ist, oder auch in erwähnter Geschichte um Walther von der Vogelweide sowie bei der "Bestie von Ullesthorpe".

Geschichte ein wenig anders - ohne Magie

Magie braucht es aber nicht einmal, um eine Historische Fantasy-Geschichte zu erschaffen. Das zeigen sowohl "Fürst der Gläubigen", in dem das problematische Verhältnis zwischen Christen und Muslimen thematisiert wird - in einer Welt, in der die Sarazenen es den Kreuzrittern gleich taten, und weite Teile Europas eroberten.

"Der Verhüllte Mann" hingegen greift die englische Geschichte auf, genauer gesagt das Geschehen um Richard III und die Prinzen im Tower. "Madonna" schließlich versetzt Leonardo da Vinci zu den Wikingern in den hohen Norden. Neben diesen zwei Kategorien - Geschichten mit klarer Magie und Geschichten ohne Magie - gibt es aber noch eine dritte.

Magie? Täuschung? Wunder? Betrug?

Diese dritte Kategorie sind Geschichten, die man eventuell der Phantastik zuordnen würde. Phantastik im engeren Sinne sind Erzählungen, bei denen zuletzt unklar bleibt, ob das Element des Übernatürlichen tatsächlich war oder nur eingebildet wurde.

Gleich die erste Geschichte, "Basilissa", ist eine solche. War Papst Leo III. wirklich von einem Wunder betroffen oder war alles nur ein großangelegter Betrug? Diese Frage stellt ihm auch die oströmische Kaiserin, Basilissa Irene, die erfolgreich gegen Karl den Großen vorgehen konnte. Dies ist der eigentliche Twist, nicht das behauptete oder echte Wunder.

Interessante Twists

Alle Geschichten hier durchzugehen, wäre nicht zweckmäßig und würde einigen auch den Witz nehmen. "Umbra" beispielsweise scheint die Geschichte eines (wahnsinnigen?) Forschers zu sein, trumpft am Ende jedoch noch einmal auf. Andere Geschichten sind nicht auf ein Ereignis angelegt, sondern breiter: Was wäre, wenn es wirklich Feen gab und diese einst die Welt verließen?

Beliebt ist die Artus-Sage in gleich mehreren Geschichten ("Dunkelster Zauber" und "Das Werschwert"). Artus kennt man doch, ist langweilig! So könnte es sein, aber in diesen Geschichten zeigt sich deutlich, was auch für die anderen gilt. Auch wenn man eine Geschichte bereits kennt, durch eine andere Perspektive, eine neue Erzählweise oder einen besonderen Twist entsteht etwas Neues. Und dieses neue kann super gelungen sein. Die Geschichten sind erfrischend, neu und gelungen. Sie haben eine angenehme Länge und kommen nie ins Schwafeln. Es sind Geschichten, die unsere Historie nutzen und umdenken, dabei aber nicht geschichtlich belehren: Kurze Unterhaltungshappen für zwischendurch - die aber auch zum Nachdenken anregen können.

Dieses Gelingen gilt auch für die Auswahl der Geschichten, die insgesamt gut durchmischt sind und in ganz Europa spielen. Das gemeinsame Thema ist deutlich sichtbar, Wiederholungen oder ein Ausleiern gibt es dennoch nicht.

Besonders gelungen finde ich den Ausklang mit Michael Edelbrocks "Fackelträger", auch wenn ich diese nicht als absolute Lieblingsgeschichte der Anthologie nennen würde. (Wer nachfragen möchte: Ich würde keine nennen. Mehrere waren auf ihre Art toll. Wie bei Anthologien üblich empfand ich einige auch als schwächer, aber keine gänzlich daneben.) Keine andere Position als die letzte könnte die Geschichte Edelbrocks haben, denn mit dem Protagonisten und dem Titel trägt sie auch den Leser aus den "Dunklen Zeiten" heraus. ... Im Grunde schade, auch wenn es die gelungene Zusammenstellung noch einmal unterstreicht.

Top-Empfehlung für Geschichtsfreunde

Zum Abschluss ein Rückblick. Für wen ist diese Anthologie gut? Für alle, die Historische Fantasy mögen und eine gewisse geschichtliche Grundkenntnis haben. Ja, die Geschichten lassen sich ohne Geschichtswissen lesen. Aber dieses gibt ihnen einen gewissen Zusatz-Kick. Detailwissen ist dabei nicht gefragt. Aber dass die Sarazenen einst Spanien besetzten, sollte man vielleicht schon im Hinterkopf haben.

Alexander Schmidt fügt am Ende seiner Geschichte auch eine Notiz zur Geschichtsschreibung, ebenso einige andere. Bei mancher Geschichte ist der Hintergrund offensichtlich. Bei anderen weniger, zumindest was die Details angeht. Begrüßt hätte ich, wenn jede Geschichte in kurzen Sätzen ihre Inspiration, Quelle oder Ausgangslage dargelegt hätte. Vielleicht bin aber auch nur ich so ein Verrückter, der mehrfach Wikipedia und Co aufrief, um das "echte" nachzuschlagen.

Nachgeliefert wird dies gewissermaßen durch ein inoffizielles Extra: Mitherausgeberin Isabella Benz führte Interviews mit den Autoren. Links zu diesen finden sich auf der Seite des jeweiligen Autors.

Mittelalter und Fantasy-Fans: Zugreifen. Dieses eher dünne Buch ist jeden Cent wert, kratzt stark an der Höchstwertung und ist viel zu schnell zu Ende. Gekonnt vereinen die Autoren abwechslungsreiche und interessante Historie mit einer Prise Phantastik und Magie. Möge es eine Fortsetzung geben!

Inhalt:

  • Basilissa (Alexander Schmidt)
  • Der Denkzettel (Barbara Siwik)
  • Granadas rote Sonne (Sabrina Zelezny)
  • ...und erlöse uns von dem Bösen (Detlef Klewer)
  • Dunkelster Zauber (Sabine Gothan)
  • Die Träne der Novizin (Stefanie Bender)
  • Das Werschwert (Michael Vogl)
  • Nur ein Hauch (Sabine Frambach)
  • Die Bestie von Ullesthorpe (Susanne Haberland)
  • Fürst der Gläubigen (Atir Kerroum)
  • Umbra (Tino Fremberg)
  • Für Frankreich (Anne Habedank)
  • Madonna (Claudia Speer)
  • Der Verhüllte Mann (Dominik Gaida)
  • Fackelträger (Michael Edelbrock)

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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