Spielbuch

Spielbuch - Charakterblatt

Die Geschichte eines Buches steht fest, sobald der Autor sie niederschreibt. Der Leser erlebt sie von der ersten Seite zur letzten. Bei Spielbüchern ist dies anders. Der Leser kann Einfluss nehmen: Soll der Held die Warnung beachten oder nicht? Soll er dem Mädchen helfen oder ist es wichtiger, das Dorf zu retten?

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ABOREA - Das Tischrollenspiel 2. Auflage

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Das Vermächtnis des Zauberers

Das Vermächtnis des Zauberers

Eine Art Spielbuch ist jenes, das verschiedene Spiele beinhaltet oder sich sogar zu Materialien für bestimmte Spiele ausklappen lässt. Diese sind hier jedoch nicht gemeint. Gemeint ist hier vielmehr jene Art Spielbücher, in denen eine Geschichte erzählt wird und der Leser die Hauptfigur durch ihr Abenteuer leitet, mitunter sogar selbst die Hauptfigur ist.

Begründet wurde das Genre des Spielbuchs effektiv von Steve Jackson und Ian Livingstone 1982 mit der Reihe Fighting Fantasy. Vorläufer waren zum Beispiel Jorge Luis Borges' Untersuchung des Werks von Herbert Quain (1941) und eine Lernbuchreihe namens TutorText (1958-1972), die ein ähnliches System wie Spielbücher zur Wissensvermittlung nutzte.

Die Blütephase der Spielbücher waren die 1980er-Jahre. Seitdem wurden sie zunehmend von anderer interaktiver Fiktion (vor allem Computerspielen) abgelöst. Dabei tauchen sie jedoch immer wieder auf - mitunter als Smartphone-App.

In Spielbüchern wird nicht von der ersten Seite zur letzten gelesen, sondern in nummerierten Abschnitten. Typischerweise trifft der Leser am Ende eines Absatzes eine Entscheidung und geht zum entsprechenden Folgeabschnitt, der die Geschichte fortsetzt. Der wesentliche Unterschied zu einem klassischen Buch ist also die Einflussmöglichkeit des Lesers, wenn auch in begrenztem Maß.

In mancher Hinsicht wurden Spielbücher durch Computerspiel-Adventures beerbt. Insbesondere die frühen Textadventures ähnelten Spielbüchern noch stark: Sie erlaubten nur wenige Befehle und verhinderten nicht vorgesehene Aktionen. Inzwischen gibt es zahlreiche weitere Spielarten von interaktiver Fiktion, die mehr oder weniger nah am Spielbuch sind.

Mit "Pen and Paper" bzw. Tischrollenspielen gibt es eine mittelgroße Überschneidung: Viele Spielbücher funktionieren ohne Zusatzmaterial, einige lassen jedoch mit Würfeln Kämpfe ausführen oder den Erfolg anderer Aktionen entscheiden. Einige Rollenspielsysteme haben Solo-Abenteuer herausgegeben, die ein Spieler mit seinem Helden aus anderen Abenteuern bestehen kann.

Spielbücher sind grundsätzlich nicht auf Fantasy-Settings beschränkt und können auch in einem historischen oder anderen fiktionalen Umfeld spielen, beispielsweise in den Werken mit Sherlock Holmes.

Spielbuch und Rollenspiel

Ein Tischrollenspiel läuft normalerweise so ab, dass es einen Spielleiter gibt, der die Geschichte erzählt, und mehrere Spieler, die jeweils einen Helden in einer Gruppe verkörpern, die ein Abenteuer bestehen. Dieses liegt dem Spielleiter vor, mit allen Alternativen - entweder selbst ausgedacht oder gekauft und durchgearbeitet. Dies sind Gruppenabenteuer für mehrere Spieler gleichzeitig.

Die Ähnlichkeit zum Lesen eines Buches ist hierbei gering. Viel mehr ähnelt ein Gruppen-Rollenspiel dem gemeinsamen Erschaffen einer Geschichte. Aber natürlich hat auch dies seine Einschränkungen: Ja, die Spieler könnten sich einfach entschließen, den Auftrag in der Taverne nicht anzunehmen und auch vor allen Hinweisen in ein weit entferntes Land fliehen. Ein Abenteuer entsteht jedoch nicht - allenfalls ein frustrierter Spielleiter, der ja irgendwie zum Abenteuer führen muss. Typischerweise gibt es alternative Wege, aber auch diese haben ihre Grenzen.

Verschiedene Systeme haben auch Soloabenteuer herausgebracht. Dies Geschah aus dem Gedanken heraus, Abenteuer auch ohne weitere Mitspieler erleben zu können. In Solo- oder Solitärabenteuern können die gleichen Helden verwendet werden wie im Gruppen-Rollenspiel. Es gibt aber keinen Spielleiter, nur den einen Spieler mit seinem Helden und das Buch. Meist werden hier auch die Probensysteme des Rollenspielsystems verwendet: zum Kampf, für Fertigkeitsproben, eher selten für puren Zufall. Der Spieler trifft dabei allein die Entscheidungen. Eine Unterscheidung zwischen Spieler/Leser und Held und deren jeweiligen Fertigkeiten und Wissen ist dabei meist aufgelöst.

Im Vergleich zum Gruppenspiel sind die Handlungsmöglichkeiten hierbei deutlich beschränkter: Es gibt keinen Spielleiter, der reagieren und abwandeln kann. Es gibt eine beschränkte Anzahl an Möglichkeiten und nach genau diesen muss sich der Spieler richten. Das kann mitunter frustrierend sein, wenn dem Spieler etwas ganz anderes vorschwebt oder sein Held Möglichkeiten hat, die genau diese Situation lösen, dies aber im Abenteuer nicht berücksichtigt wurde. Gelegentlich werden Spieler ermuntert, zu improvisieren: Wenn ich einen magischen Ring habe, der mich schweben lässt, dann tue ich eben so als wäre meine Kletter-Probe gelungen.

Ein besonderer Appeal von Rollenspiel-Spielbüchern ist die Verankerung in der jeweiligen Welt des Rollenspiels. Denn wo Spielbücher oft in einer generischen Fantasywelt spielen, erkennt man in diesen Varianten eine bekannte Welt wieder und erkundet Regionen, trifft Personen, von denen man schon gehört hat - und das Wissen um diese ist mitunter nutzbar oder wird erweitert.

Insgesamt haben jedoch relativ wenige Rollenspielsysteme konsequent Einzelspielerabenteuer herausgebracht. Dem gegenüber steht eine Vielzahl von Reihen und Einzelbüchern ohne festes Universum im Hintergrund, was den Autoren Flexibilität und Raum zum Experiment bot.

Spielbuch und Computer

Eine "Evolutionsstufe" der Spielbücher waren auch Computerspiele. Frühe Textadventures ersparten das manuelle Suchen der nächsten Abschnitte und gaben direkt das Resultat zurück. Auch zeigten sie nicht immer alle Handlungsoptionen, sondern gaben dem Spieler ein fixes Vokabular, mit dem er mit der Spielwelt interagieren konnte. Ein Inventar wurde automatisch geführt.

Grafische Point-and-Click-Adventures nahmen nach und nach Hürden im Bereich der Befehlswahl. Sie wurden visueller und entfernten sich auch dadurch von Spielbüchern. Gleichzeitig erlaubten frühe Websites mit Links eine digitale Umsetzung von Spielbüchern, die sehr nah am analogen Original war: Durch den Klick auf die gewünschte Option konnte ein Spieler nun direkt zum richtigen Abschnitt geführt werden. Einige Spielbücher von Markus Heitz wurden solcherart auch als Apps umgesetzt.

All diese Varianten von interaktiver Fiktion haben gleiche Beschränkungen: Nur das, was programmiert wurde, kann auch gemacht werden. Dies gilt auch für zahlreiche Varianten moderner Rollenspiele und wird allenfalls in nicht zwangsweise zu absolvierenden Nebenquests aufgelöst. Am anderen Ende stehen Open World Spiele, die kein vorgegebenes Spielziel haben, sondern nur Mechaniken. Hier ist es dem Spieler überlassen, etwas daraus zu machen. Dies wiederum entfernt sich sehr stark vom Spielbuch und geht über geleitete Fiktion hinaus.

Bekannte Fantasy-Spielbücher

  • Jorge Luis Borges' Untersuchung des Werks von Herbert Quain (1941): ein literarischer Vorläufer, der 9 verschiedene Enden erlaubte.
  • Fighting Fantasy von Steve Jackson und Ian Livingstone, de facto die Begründung des Genres in heutiger Form; im Englischen existieren über 50 Bücher, im Deutschen über 20.
  • D&D - Abenteuer ohne Ende bot Abenteuer in der Welt von Dungeons und Dragons
  • Einsamer Wolf/Lone Wolf folgt in mehreren Spielbüchern dem letzten Überlebenden der Kai-Lords
  • Die Welt der 1000 Abenteuer ist eine deutsche Spielbuchreihe ab 2009.
  • Mehrere Spielbücher zu Markus Heitz' Die Zwerge und Ulldart, auch als App.

Quellen und Verweise

Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Diese Genre-Info wurde veröffentlicht am und zuletzt geändert am .

 
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