Habitica: Aufgabenmanagement für Fantasy-Fans

          
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Ein Charakter bei Habitica

Sind To-Do-Listen für Dich schrecklich oder ein praktisches Mittel, um deine Aufgaben im Auge zu behalten? Ich gehöre definitiv zur zweiten Sorte und habe inzwischen diverse Tools ausprobiert. Aktuell nutze ich privat Portable Kanban (einfach auf den USB-Stick kopierbar, funktioniert offline, minimalistisch) und das, was ich euch heute vorstellen möchte: das auf Fantasy-RPG gestylte Habitica.

Was ist Habitica?

Habitica ist ein Aufgabenmanagementsystem (oder Task-Management System) und setzt auf Gamification, also auf die Verbindung mit Spielelementen. Das allein wäre kein Grund, es hier vorzustellen. Wohl aber die konkrete Umsetzung, denn Habitica ist in die Schablone eines Rollenspiels gegossen.

Als generischer (Krieger-)Abenteurer beginnen wir, erfüllen tägliche Aufgaben (Dailies), einmalige Aufgaben (To Dos) und gehen guten und schlechten Angewohnheiten nach (Habits). Wobei wir die schlechten besser lassen sollten, denn die fügen uns Schaden zu. Verdammte Schokolade! In Secret of Mana hat die noch geheilt. Nebenbei sammeln wir Begleiter und Reittiere, investieren Gold in Ausrüstung, steigen Stufen auf und gehen mit einer Party auf Monsterjagd.

Aufgaben in Habitica

Verfügbar ist Habitica als App und als Desktop-Version - ich nutze nur letztere, denn ich bin derzeit eine der seltenen Personen, die tatsächlich kein Smartphone hat (dafür aber rund 12 Stunden pro Tage in Computer-Reichweite verbringt. Und wenn ich mal nicht da bin, bin ich halt weg.)

Klassische Heldengruppe mit realen Aufgaben

Was macht Habitica aber so besonders? Ich würde nicht behaupten, dass es das beste Task-Management System ist. Vermutlich ist es das nicht, denn mir fehlt durchaus einiges (siehe unten) und es gibt auch einige Schwachpunkte. Was Habitica besonders macht, ist das Styling.

Bei einer auf reine Effizienz ausgelegten Aufgabenverwaltung registriert man sich, erstellt wiederkehrende und einmalige Aufgaben, priorisiert diese eventuell, setzt vielleicht noch eine Deadline und arbeitet die Aufgaben dann ab. Das kann in einem Kanban-Board geschehen oder anders. Bei Team-Tools ordnet man noch Verantwortliche zu.

Editierbare Aufgaben hat auch Habitica in oben genannten drei Gruppen (Dailies, To Dos, Habits). Aber Habitica bietet von Beginn an Heldenklassen. Ein neuer Account startet bis als Krieger, sammelt Erfahrung und Ausrüstung.

Ab Stufe 10 kann man seine Klasse wechseln, wobei jede Klasse andere Eigenheiten mit sich bringt, inklusive mehrerer Zauber:

  • Der Krieger ist der Standard und fokussiert sich auf Schadensvermeidung;
  • Der Magier ist hingegen die Glaskanone und teilt vor allem Schaden aus;
  • Der Dieb/Schurke akquiriert zusätzliches Gold und Gegenstände;
  • Der Priester heilt.

Wir haben hier also die klassischsten aller Charakterklassen - und keine echte Überraschung bei ihren Ausrichtungen. Dabei ist nicht jeder Magier oder Dieb gleich. Mit jedem Stufenaufstieg kann man einen Attribut-Punkt verteilen auf Stärke (mehr Schaden), Intelligenz (mehr EP), Wahrnehmung (mehr Loot) oder Konstitution (mehr Lebenskraft). Um diese Attribute zu steigern, gibt es mehrere Varianten: 1) Ich kann manuell wählen; 2) ich schalte die Automatik ein, die je nach Primär-/Sekundärattribut der genannten Klassen verteilt. 3) Ich weise meinen Aufgaben ein Attribut zu und die Steigerung erfolgt je nachdem, welches Attribut ich am meisten eingesetzt habe - quasi die Elder Scrolls Version des Leveln.

Gamification: XP, Party, Quests

Die Gamification ist ein ständiger Begleiter: Jede unserer angelegten Aufgaben gibt uns auf irgendeine Art Gold, XP, Mana oder sonstige Drops. Dennoch darf man bei Habitica kein Spiel erwarten, bei dem man die Zeit komplett vergisst, wie Civilisation, World of Warcraft oder wie die ganzen Nachtvernichter heißen. Habitica bleibt Mittel zum Zweck.

Denn die Belohnungen gibt es für die Tasks, die wir uns selbst gesetzt haben. Und WoW spielen wird man clevererweise eher nicht unter To Dos fassen. Viel wahrscheinlicher ist eine negative Gewohnheit mehr als X Stunden verdaddelt.

Habitica-Quest: Angriff des Mundanen 1Eine Quest in Habitica
Ich mag das Styling und die Darstellung als sich stets entwickelnder Held. Aber ein Held grindet ja nicht nur. Uns so gibt es auch in Habitica Quests. In einer Heldengruppe (Party) bekämpfen wir so mehr oder weniger klassische Bosse. Erfüllen wir unsere Aufgaben, nehmen die Bosse schaden; vernachlässigen wir hingegen unsere Dailies, schlagen die Gegner auf uns ein. Dabei bekämpft man nicht nur Drachen und böse Ritter - Habitica ist bei einigen Aufgaben sehr selbstironisch, z. B. Angriff des Mundanen Teil 1 - Das Geschirr-Desaster. Dies ist übrigens eine Sammel-Quest. Statt Wildschweinhauern suchen wir hier aber Seifenstücke. Na denn ...

Eine Party kann man übrigens von Beginn an gründen und Freunde dazu einladen. Die Belohnungen erhalten dann alle. Und ja klar gibt es Belohnungen. Das Prinzip funktioniert ja auch in tausenden Grindgames exzellent.

Selbstdisziplin notwendig

Es funktioniert auch für Habitica. Aber um Habitica richtig zu nutzen, braucht es ein gewisses Maß an Disziplin. Denn Habitica stellt auch Möglichkeiten zur Verfügung, den eigenen Helden zu verändern. Das ist zur Korrektur bei Fehlern gedacht; aber man kann sich so natürlich alles Zusammenschummeln. Das ginge auch, indem man einfach Aufgaben mit extremer Schwierigkeit anlegt und gleich erfüllt. Das ist ja aber nicht Sinn der Sache. Habitica soll uns eigentlich unterstützen, unsere echten Aufgaben zu erledigen. Im Endeffekt bescheißt man sich so also nur selbst.

Betonung auf Gewohnheitsbildung

Habitica Achievement: Ultimatives Magier-SetAchievement: Ultimatives Magier-Set

Zusätzlich bei der Stange hält Habitica mit Boni fürs Einloggen - magische Tränke für Begleiter oder Reittiere und diverse Achievements. Diese und das Futter um sie zu züchten sammeln wir durch Abhaken unserer Aufgaben. Das ist im Kern kosmetisch.

Eine weitere Sache steckt jedoch bereits im Namen Habitica: Habit - Gewohnheit. Neben der Gamifizierung scheint dies für mich der eigentliche Kern von Habitica zu sein. Regelmäßige Aufgaben, immer wieder Anfallendes, sind prominenter als einmalige Erledigungen. Das fördert die Gewohnheitsbildung. Und es funktioniert. Bei mir steht das automatisch vorgeschlagene Junk Food essen noch immer auf der Negativliste. Als Daily habe ich für mich Bauchtraining hinzugefügt. Meine Gewohnheiten beinhalten unter anderem drei verschiedene Sportarten. Klar: Die habe ich auch vorher gemacht. Dennoch motiviert das ein Stück, hier regelmäßig Haken zu setzen. Und geleistet habe ich ja auch etwas, für mich.

Trotzdem ist es eine gewisse Kunst, sich Aufgaben zu setzen, die weder zu allgemein noch zu spezifisch sind - zumal XP und Co auch davon abhängen, wie regelmäßig ich eine Aufgabe erfülle. Das geht immerhin mit Voreinstellungen auf täglich, wöchentlich, monatlich und bestimmte Tage - samstags und sonntags kann ich einfach nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Und im Urlaub geht das auch nicht - dann nehme ich mir ein kostenloses Zimmer in der Taverne und mein Account pausiert.

Kein echtes Browsergame

Macht das langfristig Spaß? Naja, geht so. Recht schnell wird Habitica doch eher statisch als dynamisch. Aber das Flair holt für mich sehr viel raus.

Zu einer Sucht kommt es eher nicht - auch weil ich gar nicht die Möglichkeit habe, stundenlang zu grinden. Denn es ist ja Sinn der Sache, Aufgaben in unserer realen Welt anzupacken und zu erledigen. Und sich selbst zur Disziplin zu erziehen. Eine Motivation dazu bieten auch die regelmäßigen Herausforderungen (Challenges), die man auch selbst erstellen kann.

Insgesamt finde ich Habitica gut geeignet, um im kleineren, persönlichen Bereich regelmäßige Aufgaben zu planen. Allerdings vermisse ich einige Punkte, sobald ich verschiedene Projekte in irgendeiner Form planen möchte. Habitica wird als umfassenderes Ideenmanagement- und Aufgabentool problematisch bis ungeeignet.

Probleme und was mir an Habitica fehlt

Das erste Problem ist für mich die Darstellung: Es gibt kein Kanban-Board. Alle Aufgaben sind untereinander. Den Fortschritt kann ich so nicht sehen - und gerade das schätze ich an diesen Boards.

Auch fehlt mir eine Unterteilung der Aufgaben nach Wichtigkeit. Erneut: Alles in einer Spalte, entweder Daily oder Habit oder To Do. Bei den ersten beiden habe ich damit auch kein Problem, zumal ich manuell sortieren kann. Bei To Dos wird es aber schnell unübersichtlich. Eigentlich muss ich mich auf eine Maximalzahl beschränken. Dann muss ich weitere Aufgaben irgendwo anders auflisten - nicht Sinn der Sache. Ich könnte zwar auch hier automatisch sortieren, aber dafür müsste ich ein Enddatum setzen. Das reicht mir zur Sortierung nicht; auch die Klassifizierung in ein- und ausblendbare Kategorien ist für mich zu wenig.

Das gilt auch, weil es zwar Subtasks gibt, diese aber umständlich zu editieren sind. Als Minimum würde ich mir Wichtigkeitsstufen wünschen; besser noch ein echtes Kanban. Zusammenfassen kann man dies so: Für einfache, klare Aufgaben funktioniert das System; wenn es mehr und kompliziertere Aufgaben mit Zusammenhängen gibt, ist es aber schnell nicht mehr so toll.

Das färbt teils auch auf den Gamification-Teil ab, nämlich dann wenn ich langfristig plane und eine Aufgabe anlege, die ich erst Monate später angehen will. Weil die Aufgabe so lange unerledigt liegenbleibt, steigt deren Schwierigkeit und damit Wert enorm an. Und so katapultiert sie mich schließlich von Stufe 50 auf 52. Hoppla, bisschen viel bei einer Höchststufe von 100, oder? Und das nur, weil ich sie früh angelegt hatte.

Meine Attributverteilung (Magier mit purer Intelligenz) verstärkt diesen Effekt noch. Subtasks sind auch wieder problematisch: Sie verstärken ausschließlich durch ihre Anzahl. Dabei haben einige meiner Aufgaben einfach feste Schritte und die Subtasks sind eher eine Checkliste mit ganz unterschiedlichem Aufwand. Einzelne Punkte werden also übergewichtet.

Apropos Subtasks: Viele haben ja immer ähnliche aber doch andere Aufgaben, z. B. einen Artikel oder eine Rezension zu schreiben, bei denen immer gleiche Schritte anfallen: Recherche, Korrektur, Veröffentlichung, Facebook-Post ... Leider kann ich eine Aufgabe nicht mit definierter Struktur anlegen oder kopieren. Ich muss sie immer von Grund auf neu bauen. Das ist unnützer Mehraufwand und demotiviert eher.

Zuletzt ein für mich kleiner Punkt: Die Sprachwahl klemmt für mich auf Englisch. Das ist mir egal - meine Aufgaben sind eh aus einem Mischmasch von Deutsch und Englisch geschrieben. Aber die Option zum Wechsel zu haben, die dann nie funktioniert, irritiert.

Fazit: Eher für Gewohnheiten und "Kleineres"

Nach so einer großen Negativliste kann man natürlich fragen: Wenn es so viele Probleme hat, warum stelle ich Habitica trotzdem vor? Weil ich es mag. Und weil es trotzdem seine Anwendungsfälle hat: im Kleinen, zur persönlichen Benutzung, die vor allem auf regelmäßig wiederkehrende Aufgaben abstellt. Weniger für komplexe, halbregelmäßige Aufgaben, denn gleichförmige Strukturen bei grundsätzlich unterschiedlichen Aufgaben werden leider nicht unterstützt.

Dabei bietet Habitica auch einiges, was über den Artikel hinausgeht, wie eine API und ein Tool zum Datenauslesen inklusive Berechnungen. Der Statistikfreak in mir liebt das. Realistisch betrachtet ist es der Mehrheit allerdings egal.

Am Ende kann ich daher sagen: Fantasy-Fans, die eine Erinnerung brauchen, mittwochs den Müll rauszustellen, am Abend ihre 20 Sit-ups zu machen und gelegentlich die ein oder andere Aufgabe haben, sollten ruhig mal einen Blick auf Habitica werfen - zumal die Grundversion kostenlos ist.

Habitica - Gamify your Life (Banner)

Avatar von nico Artikel von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Dieser Artikel wurde veröffentlicht am und zuletzt geändert am .

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