Realistische Fantasy

Realistische Fantasy - Schlacht

In mancher Fantasy gibt es Magie, Zauber, Helden und böse Unwesen allerorts. Selten gibt es für diese eine Erklärung - sie sind einfach da und funktionieren. Auch in realistischer Fantasy kann es Magie, Götter und mystische Wesen geben. Allerdings sind sie nicht so allgegenwärtig und weniger mächtig: Tote bleiben in der Regel tot; jede Magie hat einen Preis, der gezahlt werden muss; wenn Götter aktiv handeln, sind sie weit weg von Allmacht und mythische Wesen sind teil eines sichtbar funktionierenden Ökosystems. Meist sind solche realistischen Fantasy-Welten eher dreckig und überschneiden sich daher mit Gritty Fantasy. Ideale, unfehlbare Helden sind selten: Ein gesunder Pragmatismus ist notwendig um auch ganz mundane Unbillen zu überstehen.

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Realistische Fantasy wird von Einigen grundsätzlich als Widerspruch gesehen - Fantasy ist in ihren Augen nicht realistisch. Diese Ansicht ist mindestens problematisch, im Endeffekt sogar falsch. Denn dieses Denken übersieht: Es trifft auf jede fiktionale Geschichte zu. Selbst in so mancher Biografie oder "wahren" Begebenheit wird die präzise Faktizität der Unterhaltung, der guten Geschichte untergeordnet. Das macht diese Geschichten nicht zu Fantasy.

Realistisch bedeutet in diesem Sinne nicht "wirklich (real) so geschehen". Auch Fantasy folgt grundsätzlich den Konventionen eines realistischen Romans. Dabei sind inhaltlich Abweichungen von unserer empirischen Realität möglich, ja sogar notwendig um die Gattung zu begründen. Das Wunderbare ist in Fantasy-Erzählungen zweifelsfrei präsent: Magie, mythische Wesen, Götter, Helden, Abenteurer ... Realistische Fantasy erzählt Geschichten, die logisch denkbar wären, wenn es dieses Wunderbare gäbe. Somit werden Konsequenzen von Handeln oder Voraussetzungen und gesellschaftliche / ökonomische / natürliche Strukturen zwar nicht unbedingt explizit thematisiert, aber oft mitgedacht: Welche Auswirkungen hat es, wenn plötzlich ein Drachenhort auf den Markt kommt? (Und niemandem gehört all das Zeugs?) Warum macht man sich viel Mühe, wenn Magie alles viel einfacher lösen kann? In der Regel dominieren Menschen realistische Fantasywelten, wobei andere Rassen durchaus existieren können.

Klarer kann dies durch eine Abgrenzung zur klassischen oder High Fantasy werden. In ihr agieren Helden häufig scheinbar losgelöst von gesellschaftlichen Zwängen und Pflichten. Sie erschlagen Drachen, finden Schätze, retten Prinzessinnen - und all dies funktioniert, ohne dass die Welt ins Schleudern gerät. In realistischer Fantasy sind die Helden Teil der Gesellschaft. Selbst wenn sie sich nur wehren, können sie nicht einfach jemanden töten - eine Untersuchung ist das mindeste, was folgt. (Eine Überzeichnung dieser realistischen Aspekte fällt hingegen meist in den Bereich von Humoristischer Fantasy.) Der Tod ist gegenwärtiger - kein realistischer Fantasyheld besiegt zehn Angreifer gleichzeitig.

Auch sind die Dinge meist weniger schwarz/weiß als in einigen Werken: In High Fantasy bedroht ein eindeutiges Übel die gesamte Welt oder die Region, zum Beispiel ein Drache. In Realistischer Fantasy schützt eben jener Drache vielleicht nur seine Brut oder wurde von "Helden" erst in seiner Ruhe gestört und wütend gemacht. Wer ein Held ist, liegt mitunter auch im Auge des Betrachters - eine Vorabdefinition von Gut und Böse ist nicht immer vorhanden.

Realistische Fantasy löst sich also von schematischem Denken und nähert sich Erzählungen an, die weniger idealistisch sind und Effekte jenseits des Unmittelbaren bedenken. Sie beschäftigt sich öfter mit "normalen" Menschen. Die Protagonisten sind zwar mitunter begabte Krieger oder Magier, ragen aber nicht übermenschlich oder unbesiegbar über alles hinaus. Prophezeite Weltretter sind selten; Helden haben Schattenseiten und Schwächen. Mitunter wird auch ein Durchschnittsmensch zum Helden, der in der Not Besonderes leistet.

All dies führt tendenziell auch zu einer Nähe zur Gritty Fantasy, die jedoch noch nicht ins oft Zynische der Dark Fantasy übergeht. Realistische Fantasy ist oft auch Low Fantasy, wobei Überschneidungen oft vorkommen. In einigen Gedankengängen ist die Realistische Fantasy auch das Gegenstück zur Heroischen Fantasy.

Problematisch ist bei der Abgrenzung, dass "realistische" Fantasy mehr eine Skala ist als eine Entweder-oder-Entscheidung. Ein Roman kann in verschiedenen Teilen realistisch sein, gleichzeitig aber einige ziemlich unglaubliche Elemente beinhalten. Für das Werk als Ganzes kommt es daher auf den Ton insgesamt an. Die Zuordnung ist somit auch eine subjektive Gefühlsentscheidung ohne absolute Kriterien. Manchmal fallen Dinge, die "so nicht funktionieren" kaum auf; ein andermal kann eine einzelne Gegebenheit das realistische Gefühl des ganzen Romans zerstören.

Ein Beispiel mit sowohl realistischen als auch unrealistischen Aspekten ist die Figur Druss aus Die Legende: einerseits ist er ein heroischer Krieger; andererseits werden seine dunklen Seiten betont und er ist alt, kann und will nichts mehr ausrichten.

Historische Fantasy ist ebenfalls meist realistisch, schon allein dadurch, dass sie sich mit ihrem Setting auf eine echte, historische Periode bezieht. Ein Beispiel für in weiten Teilen realistische Fantasy mit historischen Aspekten sind die Fluch der Karibik-Filme. Sie spielen in einem grundsätzlich recht realistischen Karibik-Setting im Zeitalter der Piraterie. Politische und merkantile Ambitionen der verschiedenen Nationen tauchen immer wieder auf. Gleichzeitig sind auch Fantasy-Aspekte präsent und zentraler Drehpunkt der Handlung.

Realistische Fantasy und Magischer Realismus

Der Begriff Magischer Realismus wird oft ähnlich wie Realistische Fantasy verwendet. Dennoch sind die beiden Begriffe unterschiedlich. Im Magischen Realismus spielt die Handlung in der gewöhnlichen Welt, aber einzelne magische oder wundersame Elemente treten in ihr auf, ohne besonders betont zu werden. In Fantasy sind sie zentraler Part der Story.

Als Faustformel kann Folgendes dienen: Steht im Ausweis einer Figur "Werwolf" und das ist einfach so, wird gar nicht weiter thematisiert, ist dies tendenziell Magischer Realismus. Wird explizit auf das Werwolf-Dasein dieser Figur eingegangen und spielt dies vielleicht sogar für die Handlung eine Rolle, handelt es sich um Realistische Fantasy. Beim Magischen Realismus tritt Ungewöhnliches (Phantastisches, Mythisches) im Alltag auf und wird schlicht akzeptiert. In der Realistischen Fantasy wird das Ungewöhnliche hingegen betont und oft zu einem Element, um das sich die Handlung dreht.

Es gibt auch Meinungen, die Fantasy und Magischen Realismus gleichsetzen, insbesondere von spanischsprachigen Autoren. So beschrieb Terry Pratchett den Magischen Realismus einmal als "eine höfliche Art zu sagen, man schreibe Fantasy" was "für manche Menschen leichter zu akzeptieren" sei als dieses Label (Quelle).

Realistische Fantasy, Low Fantasy, Gritty Fantasy und Dark Fantasy

Betrachtet man "klassische" High Fantasy, finden sich oft Helden, die gegen das Böse an sich kämpfen. Es gibt keine Zweifel, dass die Helden gut sind, keine Zweifel, dass die Feinde böse sind und bekämpft werden müssen. Selbst wenn auch die Helden Makel haben können, bleibt dies die große Ausgangslage. Realistische Fantasy zerstört diese Bipolarität. Es kämpfen nicht Gut gegen Böse, sondern Parteien, die einander mitunter sehr ähnlich sind. Schaut man in die Realgeschichte, könnte man hier diverse Glaubenskriege oder fast alle anderen bewaffneten Konflikte anführen.

Aufgrund dieses Fehlens klarer moralischer Überlegenheit nähert sich die Realistische Fantasy ein Stück der Dark Fantasy und der Low Fantasy an. Erstgenannter darin, dass es kein ultimatives Ziel gibt, keine Utopie, in der für alle alles gut wird und dass Pragmatismus über kompromisslos/unkompromittierte Ideale siegt. Zweitgenannter darin, dass die wundersamen oder magischen Elemente nicht inflationär und kostenlos auftreten. Beides bringt sie gleichzeitig in die Nähe der Gritty Fantasy, in der alltägliche Mühen statt Heldentaten dargestellt werden und solcher Art die "realistischen" Dinge betont, den Epische Fantasy oft komplett ausblendet.

Realistische Fantasy, Historische Fantasy, Historischer Roman

Das Wort "real" in Realistische Fantasy ist (wie erwähnt) problematisch. Es bezeichnet keineswegs die Qualität, dass die Schilderungen echt sind im Sinne von tatsächlich stattfindendem oder stattgefundenem Geschehen. Realistische Fantasy ist Fiktion - eine erdachte Geschichte, die so nicht stattfand und dies auch nicht behauptet, in diesem Sinne keinen Wahrheitsanspruch hat.

Eine Annäherung über zwei ähnliche Kategorien ist daher interessant: Historische Fantasy ist Fantasy (mit Magie, mythischen Wesen etc. als wahrer Teil der Welt), die zu einer bestimmten Zeitperiode unserer Welt spielt. Typischerweise orientiert sie sich sehr stark an den echten Gegebenheiten, und ergänzt diese mit fantastischen Elementen. Daher ist Historische Fantasy in der Regel auch Realistische Fantasy - eine allzu starke Abweichung von der belegten Geschichte würde die Zuordnung absurd machen.

Der Historische Roman hingegen könnte tatsächlich so stattgefunden haben. Meist spielen diese Erzählungen in den Lücken der Geschichtsschreibung, die weder beweisen noch widerlegt werden können. Gelegentlich werden Figuren in große Ereignisse verwickelt und spielen dort eine wichtige Rolle - dies hat genau so sicher nicht stattgefunden.

Alle drei dieser Gattungen sind Fiktion. Auf einer Skala ist der historische Roman sicher am nahesten an der Realität. Historische Fantasy ist etwas weiter entfernt aber noch mit klarer Verknüpfung zu belegter Geschichte. Realistische Fantasy spielt mitunter in einer losgelösten, gänzlich erfundenen Welt - orientiert sich aber auch an den Gegebenheiten der Zeitperiode, an die sie angelehnt ist. Wie treu zur Realität dies letztlich ist, unterscheidet sich wiederum von Werk zu Werk.

Quellen und Verweise

Titelbild: Галицькі хоругви у Грюнвальдскій битві 15 липня 1410 року, (1887) - Illustration der Schlacht von Tannberg von Artur Orlionov via Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0.

Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Diese Genre-Info wurde veröffentlicht am und zuletzt geändert am .

 
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