Buch-Cover, Jana Paradigi: Kitty Carter - Dämonenkuss

Kitty Carter - Dämonenkuss

Genre: Historische Fantasy
Seiten: 310
Erschienen: 07/2022 (Original: 2022)
ISBN: 978-3-98595-112-3
Preis: 16,00 Euro (Hardcover)
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Wertung: 3/5 Grimoires; 6/10 Punkte, Kann-Lektüre

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Kurz & Knapp

  • Geschichte verliert sich
  • Andere Idee von Dämonen

London im viktorianischen England von 1862: Kitty Carter arbeitet als Bürokraft bei der City of London Police. Und auch wenn es keiner zugeben will, ist sie bisweilen eine große Hilfe. Denn sie hat ein besonderes Talent: Intuitionen, die zur Lösung manches Kriminalfalls beigetragen haben. Und dann stirbt Kitty - was jedoch nicht das Ende ist. Denn Gott schickt sie kurzerhand auf die Erde zurück, um eine Mission für ihn zu erfüllen. Doch Kitty wird zunehmend von ihrer Aufgabe abgelenkt und fragt sich schließlich, ob sie diese wirklich erfüllen will.

Das Buch erhält 6 von 10 Punkten.

Kitty Carter - Dämonenkuss ist ein Buch, bei dem ich nicht weiß, was es sein will. Der Titel deutet auf Romantische Fantasy. Der Rückentext versprach historische Fantasy. Beides ist durchaus da, aber wenig spürbar. Stattdessen greift der Roman auf die ursprüngliche Idee von Dämonen zurück und zeichnet ein ungewöhnliches Bild von Religion und Nachwelt. Das ist interessant, hat Potenzial - aber leider verliert sich die Geschichte in Wiederholungen und Dingen, die nie erklärt werden.

Ungewöhnliche Dämonen

Der Titel gibt es vor: In diesem Buch erwartet man Dämonen. Allerdings dürften viele überrascht sein, mit was für Dämonen man es zu tun bekommt. Denn die Dämonen dieses Buches sind keineswegs Geschöpfe der Hölle oder auch nur böse übermenschliche Wesen. Viel mehr geht die Autorin auf die ursprüngliche Bedeutung von Dämon zurück, der mehr oder weniger die Seele oder Schicksalsbestimmung eines Menschen ist.

Diese Bedeutung ist heute den wenigsten präsent. Gerade dadurch wirkt sie frisch und neu. Grundsätzlich schätze ich solche Rückbesinnungen. Gleichzeitig kann sie aber auch irritieren, da der Sprachgebrauch eben anders ist.

Und die falschen Erwartungen, die der Roman weckt, sind für mich ein grundsätzliches Problem; sie werden kaum gehalten. Von Dämonen sprach ich schon. "Dämonenkuss" wirkt jedoch auch in eine zweite Richtung: Es schreit für mich geradezu Romantic Fantasy. Das ist der Roman aber bestenfalls in ganz losem Sinne, zumal sinnliche Szenen schnell ausgeblendet werden.

Was will dieser Roman eigentlich sein?

Und diese Tendenz, nichts Klares zu sein ist für mich das Problem: Ich weiß nicht, was dieser Roman eigentlich sein will. Romance ist es nicht wirklich. Mich zog das Historische an - aber ich hatte nie wirklich das Gefühl, dass die Handlung in einer spezifischen Zeit spielt. Ja, es gibt Details, die den Roman verorten: das Frauenbild, die generelle Gesellschaft, Kutschen und Opiumhöhlen statt Autos; am wichtigsten sicher das Frauenbild und Kittys Rolle, die gerade mit moderner Selbstverwirklichung kontrastieren. Aber die Atmosphäre wirkte nie wirklich historisch und ich hatte das Gefühl, die Geschichte hätte ebenso gut ein Jahrhundert später spielen können.

Ein Urban Fantasy Krimi? Ein wenig. Aber der Fall ist fast Nebensache und löst sich einfach eher nebenbei. Kittys Aufgabe auch, was zugegeben der Rückentext sogar erwähnt. Romanzen und Sex werden weggeblendet, greifen nie wirklich. Okkultismus und Philosophie werden hineingemischt. Zentral und wiederkehrend scheint eben erwähnte Idee von Freiheit und Selbstverwirklichung zu sein, die Kitty recht naiv zu verfolgen glaubt. Aber auch das verläuft sich. Wenn gerade dieses Verlieren in all dem, was es gibt, beabsichtigt war, ist es gelungen. Für fehlte aber ein klarer Faden.

Potenzial - aber ungenutzt

Dabei gäbe es hier durchaus Potenzial und einiges ist interessant: ein Gott namens Ruff, der Kitty auf göttliche Mission ins Leben zurückschickt? Zumindest ich wurde da schnell skeptisch. Das wäre nicht der erste Dämon (im modernen Sinn), der sich als jemand anderes ausgibt. Überhaupt wirkt er recht suspekt und ich sah den ganzen Auftrag daher von Beginn an misstrauisch. Im Gegensatz zur sich verlaufenden Handlung sind dann aber einige Dinge ganz einfach so, wie sie sind. Das hinzunehmen fällt mir auch nach der Lektüre noch schwer, gerade weil sich anderes so kompliziert verläuft.

Denn Jana Paradigi arbeitet zwar mitgekannten Motiven, mischt aber auch anderes hinein- Mit Religion, Okkultismus, Philosophie werden interessante und vielfältige Themen angeschnitten - nur eben nichts davon richtig. Dadurch greifen sie nicht wirklich und wirken eher konfus. Auch das großartige Cover machte Lust - aber im Nachhinein finde ich es so nicht gänzlich in der Geschichte.

Gelungen: Stil und düstere Atmosphäre

Gelungen empfand ich jedoch das die dezent dargestellten unschönen und düsteren Seiten Londons. Zwar geht es auch um Morde, aber Jana Paradigi hält sich mit übernatürlicher Action zurück. Statt stets in Auseinandersetzungen zu geraten driftet Kitty langsam in Bereiche, die die gehobene Gesellschaft nicht gutheißt - und sie wieder herauszuziehen versucht.

Umso mehr finde ich es schade, dass dies und anderes doch sehr einfach ist und Komplexität erst gar nicht aufkommt oder sehr abrupt und geradlinig aufgelöst wird. Verschiedene Stellen hätten hier mehr bieten könnnn. Auch der sehr angenehme, lockere und flüssige Stil kann dieses Manko für mich nicht ausgleichen.

Figuren

Auch mit den Figuren habt ich ein Problem Kitty ist adrett, clever, mit besonderem Talent - gleichzeitig aber selbstverleugnend, naiv und blind für die eigene Position in der Gesellschaft ihrer Zeit und dem, was Frauen tatsächlich möglich ist. Und das mit fast fünfzig! So wirkte sie nicht auf mich, denn sie lässt sich auf fast alles direkt ein und redet sich dabei noch ein "frei" zu sein, ohne zu merken, wie sehr alles für sie arrangiert wurde. Statt eigenständig zu sein, ist sie abhängig, nicht zuletzt von ihrem Vater. Eine ältere Hauptfigur finde ich reizvoll, aber das passte für mich nicht richtig zusammen. Nebenbei beschlich mich auch der Gedanke, ob sie nicht als Ich-Erzählerin besser gewesen wäre - immerhin ist der Roman stark von ihrer Perspektive geprägt. Dies hätte aber zugegeben einiges deutlich verändert.

Die Rolle der Frauen, die Mitte des 19. Jahrhunderts eben nicht das tun konnten, was sie wollten, ist wohl auch der größte historische Anker. Scheinbar sollte dies auch ein Hauptthema sein und ist durchaus modern. Inmitten der mäandernden Geschichte geht dies aber verloren - und die Nebenfiguren tauchen halt einfach so auf, ohne dass sie für mich echte Persönlichkeit gewinnen.

Schwächen und Nicht-Finale

Liegt das daran, dass zu viele verschiedene Dinge in den Roman gepackt wurden? Vielleicht. Aber auch so hat die Handlung Schwächen: Ein sich lösender Fall, kleine Inkonsistenzen (fehlendes Geld, dann Börse wieder da), immer passende Helfer (im Rückblick durchaus erklärbar, aber dadurch nicht besser).

Bei alldem ist die Geschichte gut, zügig und flüssig lesbar. Das Tempo ist eher langsam, es gibt mehr Reflexion als Action. Ich brauche keine Action. Aber durch eine langsame Erzählung denkt der Leser mehr. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, führt aber dazu, dass tendenziell mehr über das Geschehen nachgedacht wird. So fallen auch kleine eher auf und ich denke über größere Probleme länger nach. Für mich blieb so der Zusammenhang auf der Strecke. Ich landete bei bereits gestellter Frage: Welche Geschichte will dieser Roman erzählen, welche Punkte hervorheben? Er verlor sich für mich.

Das Ende exemplifiziert das. Plötzlich wird es hochphilosophisch, einige Gedanken werden ausgesprochen - und das war es dann. Eine Erklärung, ein Zusammenführen oder ein größerer Zusammenhang? Das wäre schön gewesen, aber das finde ich hier nicht. Erleuchtung! So sind die Dinge also! Das war für mich kein überraschender Twist: mir blieb einvberständnisloses Hä Wo kommt das jetzt her; was soll das?

Und - Achtung Spoiler:

Am Ende erwartete ich von einem Roman im London von 1862 etwas gänzlich anderes und auch der Titel führte mich eher in eine falsche Richtung. Eine gute Idee, die Verwendung von Dämonen im ursprünglichen Sinn, verläuft sich in diesem Roman jedoch in ... irgendetwas. Das Beste, was ich über diesen Roman sagen kann: Er ist ganz sicher anders. Die Idee? Durchaus interessant. Die Umsetzung? Absolut nicht meins.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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