Zwerg und Überzwerg
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Im Ehernen Imperium der Zwerge bahnt sich von allen ungeahnt eine große Verschwörung an. Dies ist undenkbar, denn die Traditionen von Zwerg und Zwergszwerg sind heilig und werden mit absolutem Gehorsam (mehr oder weniger) befolgt. Jener gehorsam spiegelt sich auch in der Routine wider, welcher die Zwerge folgen und von der abzuweichen den Tod eines Zwerges bedeutet. Doch dies ist nur der Anfang: die Immerschwarze Spinne ist wieder gesehen worden und der Olm des Hohepriesters läuft die Runen in einen ganz bestimmen Muster an: Die Zeit der großen Erzferkelprophezeiung ist angebrochen! Natürlich will dies keiner so recht wahrhaben und so werden schnell alternative Prophezeiungen erfunden - pardon: in Aufzeichnungen entdeckt - und der Bierverbrauch angekurbelt. Doch können die neuesten alten Prophezeiungen das Imperium retten? Denn zuletzt heißt es "Altes Eisen" gegen "Neuer Stahl"...
Das Buch erhält 7 von 10 Punkten.
Bereits auf dem Titel verspricht "Zwerg und Überzwerg" die Parodie der Zwergenheit zu sein. Dies will ihr nicht so recht gelingen. Der Roman dümpelt insgesamt irgendwo zwischen typisch-epischer Fantasy und wirklich humorischer Fantasy dahin. In jedem Fall bescheinigen kann man ihm einen neuen Blick auf das Thema Zwerge: hier sind die Unterirdischen die meiste Zeit betrunken (Wasser ist schließlich giftig!) und folgen stur den Traditionen. Die unterirdische Welt hat anscheinend keinen echten Kontakt zu anderen Völkern und einige eher ungewöhnliche Errungenschaften: Rauchkäfer werden eingesetzt um die Luft rein zu halten und im Anschluss in der Waffenindustrie verarbeitet. Diese Zwerge sind ein Volk das wirklich alle Teile der Natur auszunutzen versucht.
Humor stellt sich meist durch Augenrollen in einzelnen Szenen ein. Eigentlich sind diese Zwerge sehr clever und in einigen Traditionen einfach schrullig - man nehme par excellence das Bier und der nie-nüchterne Zustand. Generell wirken die 'parodierten' Teile aber meist eher skurril oder gehen gänzlich vorbei, wenngleich man man die „normalen“ Zwerge durchaus wieder kennt.
Aus irgendeinem Grund arbeitet der Autor mit Fußnoten um bestimmte Begriffe zu erklären. Manchmal bietet sich eine Fußnote tatsächlich an, aber oftmals wird das gleiche auch im normalen Text gesagt oder könnte dort eingefügt werden. Seltsamer sind jedoch manche handlungsimmanente Lösungen, wie beispielsweise die Zwergenfrauen: von Asters Zwerge schlüpfen aus Eiern, da die Zwergenfrauen allesamt tot sind. Persönlich kann ich mir Eier legende Zwerinnen immer noch nicht vorstellen und habe keine Idee wie es zu diesen Eiern gekommen sein soll. Auch andere Stellen wirken eher skurril und weniger eine direkte Parodie der Normalzwerge. Dabei sind die eingearbeiteten Besonderheiten dieses Zwergenvolkes durchaus clever und überzeugend. Man nehme das Erzferkel - in Analogie zum Trüffelschwein sucht diese Spezies verschiedene Erzadern (und spricht angeblich auch einmal eine Prophezeiung aus). Die Stimmung einer ganz besonderen Art Zwerge und ihrer Lebensweise wird schlicht und ergreifend hundertprozentig eingefangen.
Vermutlich ist auch die Gruppe der Helden und ihr Auftrag als Parodie intendiert. Dies funktionierte für mich nicht, da ich vollkommen mit dem "Neuen Stahl" (den „Bösen“) sympathisierte. Das Eherne Imperium zeigt sich als eine stagnierende Gesellschaft, die nur noch auf Tradiertes hört und langsam aber sicher in den Untergang geht (und dabei hofft, betrunken zu sein, es so nicht mitzubekommen - und sich einen Kater zu ersparen). Der Neue Stahl hingegen verspricht Veränderung und Bruch mit den Traditionen. Sicherlich ist der Anführer 'böse' aber der Rest... ich hätte ihm den Vorzug gegeben vor dem gesamten Ehernen Imperium. Daran ändert auch das Gerede vom "Überzwerg" nichts, das vermutlich an den missbrauchten Begriff der Nationalsozialisten erinnern soll. Gewissermaßen scheiterte ein Teil also an meiner "Sympathie für den Feind". Aber scheiterte er wirklich? In Sachen Sympathielenkung kann ich nur vermuten, dass diese eigentlich Sympathie für das Imperium wecken soll – aber mit Abstrichen. Auch im Imperium wird an verschiedenen Stellen mit Regen gebrochen, was auf der Ebene einzelner doch wieder einiges an Sympathie erzeugt.
Sprachlich versucht von Aster, das "menschliche" zu entfernen, was ihm großteils gelingt: hier gibt es nur Zwerge, keine Menschen. So werden ausgestoßene Zwerge beispielsweise "entzwergt" und Namen spiegeln Zwergisches wider: "Olbrich Eisenbruch", "Krass Breitbart" und "Farrnwart Belchbolt" seien als Beispiele genannt. Das gesamte übliche Ausrüstungsinstrumentarium ist durch eines ersetzt, dass durchaus logisch überzeugt für ein in Isolation lebendes Volk und stimmig. Nur selten sind einige Ausdrücke u.ä. verwirrend und lassen innehalten.
Insgesamt ist „Zwerg und Überzwerg“ ein Roman, der sich selbst nicht hundertprozentig ernst nimmt, aber eine deutlich ernstere Grundstimmung hat als viele Verballhornungen. Parodien bleiben eher Einzelmotive: „Skurril“ trifft es eher als „Humoristisch“. Das Zentralthema ist eine stagnierende Zwergengesellschaft mit verschiedenen Problemen und Missbräuchen (in doppeltem Sinn). Diese Probleme können durchaus nachdenklich machen und sorgen für eine eher bedrückende Grundstimmung, die Humor sicherlich stark abfedert. Vielleicht größter Makel ist für mich das Fehlschlagen der Sympathielenkung. Sofern man sich bewusst ist, dass das parodistische Element weniger zentral ist als in anderen Romanen, kann man den "Überzwerg" jedoch gut genießen.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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