Buch-Cover, Tad Williams: Happy Hour in der Hölle [Hörbuch]

Happy Hour in der Hölle [Hörbuch]

Originaltitel: Happy Hour in Hell [AME]
Serie: Bobby Dollar (#2)
Übersetzer: Cornelia Holfelder-von der Tann
Sprecher/Regie: Simon Jäger (et al.)
Genre: Urban Fantasy
Spieldauer (Min): 1026
Erschienen: 08/2014 (Original: 2013)
ISBN: 978-3-8445-1260-1
Preis: 24,99 Euro (CD)
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Wertung: 3/5 Grimoires; 7/10 Punkte, Gut

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Engel Doloriel, auch bekannt als Bobby Dollar, befindet sich auf dem Weg in die Hölle. Vermutlich hätte ihn auch mancher Vorgesetzte gerne dorthin gejagt oder gleich ganz ausgelöscht, aber tatsächlich hat er sich selbst zu diesem irrsinnigen Vorhaben entschlossen. Denn seine Freundin Caz ist dort, in der Gewalt von Höllenfürst Eligor. Überraschend hilft ihm sein direkter Chef, in die Hölle zu gelangen. Doch wie jeder weiß: Das ist der einfache Teil. Und so irrt Bobby Dollar zwischen den Höllenkreisen umher, nicht nur um Caz zu finden, sondern auch, um eine mysteriöse Botschaft zu überbringen. Außerdem muss er aufpassen, dass er nicht vergisst, wer er ist ...

Das Buch erhält 7+ von 10 Punkten.

Die Höllenfahrt, der Abstieg in die Hölle, ist ein altes Motiv. Tad Williams bedient sich grob bei Dantes Höllenkreisen, erzählt aber eine eher actionreiche Geschichte mit sehr bildhaften Folterqualen und ohne zu große Komplexität. Der Roman lebt mehr von der Atomsphäre als von einem neuen Plot, ist gerade am Ende aber zu offensichtlich.

Reise in die Hölle

Reisen in die Hölle sind in jeder Mythologie problematisch, am schwierigsten vielleicht in christlich angehauchten Höllen. Zwar trifft der Leser Bobby Dollar gleich auf der Neronischen Brücke (einer vergessenen Nebentür der Hölle), aber wie in Die dunklen Gassen des Himmels macht der Ich-Erzähler auch diesmal einen Sprung zurück und erklärt, wie er überhaupt in diese Situation gekommen ist.

Denn, da sind sich alle inklusive Bobby einig, in die Hölle zu gehen, noch dazu als Engel, ist mal wieder eine saumäßig dämliche Idee. Aber Bobby hat sich nun einmal in die Dämonin Caz, die Gräfin von Coldhands, verliebt. Und er weigert sich, zu glauben, dass sie rein gar nichts empfand und ihn die ganze Zeit manipuliert hat. Dazu trägt auch ihr Amulett bei, ohne das er nicht mehr am Leben war.

Kurz: Bobby ist mal wieder stur und tut etwas, was er besser nicht tun sollte.

Düsterer Erzähler mit "Hard-Boiled-Aspirationen"

Aber Bobby Dollar wäre nicht Bobby Dollar, wenn er sich zurückhalten ließe. Wie zuvor ist die Hauptfigur zugleich Erzähler und kommentiert das eigene Verhalten mit Leseransprache: frech und direkt aber irgendwie sympathisch. Sarkasmus, Zynismus? Na was denken SIE denn? Klar bleibt der unverwechselbare Stil dieses Engels und trägt auch diesmal zum Ton bei.

Dieser Ton ist auch von Humor geprägt. In der Hölle ist dies oft düsterer Galgenhumor, aber auch das ist Humor und ich mag kalt abgelieferten deadpan. In diesem zweiten Teil ist er allerdings bedrückender als im Vorgänger.

Ebenfalls fällt auf: Bobby macht im Grunde keinerlei Entwicklung oder Veränderung durch. Vor der Hölle und nach der Hölle ist er genau der gleiche. Figuren-Entwicklung brauche ich nicht unbedingt, denn neben ihm gibt es einige interessante Dämonen. Aber es fällt sogar anderen auf: Großfürst Eligor schmeißt Bobby an den Kopf, er solle doch mit diesen nervigen Hard-Boiled-Aspirationen und klugscheißerigen Kommentaren aufhören.

Höllische Atmosphäre

Trotz Sarkasmus: Im Kern ist Engel Doloriel bemüht, das Richtige zu tun - auch in der Hölle. Und das ist gar nicht so einfach. Schnell merkt Bobby, dass die Hölle einen seltsamen Einfluss auf ihn hat: Er wird aggressiver, leichter reizbar. Als ob er nicht genug Probleme hat! Nun scheint es auch noch, als würde er vollends zum Dämon, dessen Körper er trägt, falls er zu lange im Inferno bleibt.

Inferno, so heißt auch ein Buch in Dante Alighieri's Göttlicher Komödie. Und natürlich hat Dante da einigen Blödsinn erzählt, wie Bobby hervorhebt. Dennoch spürt man in Tad Williams Version der Hölle Danteischen Einfluss. Von der gelungen eingefangenen Atmosphäre der Hölle (zu der auch die Stimme von Simon Jäger maßgeblich beiträgt) lebt ein großer Teil der Erzählung, in der Bobby verschiedene Verdammte trifft und sich mit einigen Dämonen auseinandersetzen muss.

Williams' Bild der Hölle ist ziemlich brutal, sehr bildhaft und grausam. Schwächere werden gefressen oder gleichgültig verstümmelt. Sterben ist ihnen verwehrt - sind ja schon alle tot. Das mag Bobby nicht akzeptieren, kann aber auch nichts dagegen ausrichten. Einen Twist führt Tad Williams mit der Botschaft ein, die der Engel überbringen soll.

Kleines Manko: Das System funktioniert einfach, verstehen tut es keiner. Es gibt einen Wirtschaftszyklus, aber dieser wird nicht in der Tiefe erörtert. Ohnehin winkt Bobby ab: Logik findet man hier nicht, was auch immer der Höchste sich dabei gedacht hat.

Viel Handlung, geringe Komplexität

Das gilt für den gesamten Kosmos der Reihe: Tad Williams lässt bewusste Lücken. Die Geschichte ist dadurch deutlich weniger komplex als seine früheren epischen Werke. Das geschah durchaus bewusst, denn Tad Williams fürchtete, mit seinen überlangen Geschichten einige Leser abzuschrecken. Neben der Herausforderung wollte er daher auch aus rein praktischen Gründen kürzere und für sich lesbare Romane ausprobieren. (Siehe Interview auf bookwormblues.net, englisch.) Daher kann Happy Hour in der Hölle auch ohne Kenntnis des ersten Bandes gelesen werden, wobei dieser hilft, einige Dinge zu verstehen.

Auch der zweite Bobby-Dollar-Roman lebt dementsprechend nicht vom Weltenbau, sondern von der Atmosphäre und dem Erzähler. Bobby gibt Eindrücke, Gefühle, Erlebnisse weiter - und natürlich jede Menge unqualifizierte Kommentare ab. Er gerät von einem Schlamassel in den nächsten: Gefangenschaft, Spielzeug einer Dämonin, Staatssicherheit der Hölle ...

Diese unterschiedlichen Dämonen bringen ein gewisses Maß an Komplexität, beeinflussen die Handlung insgesamt jedoch kaum: Sie sind letztendlich nur (interessante!) Hindernisse auf Bobbys Weg zum Ziel.

Wermutstropfen: Vorhersehbar

Interessant müssen sie auch sein, denn die Reise in die Hölle ist eine alte Geschichte. Mehr als diese Grundidee zählt die Ausgestaltung, und die geht hier vollkommen in Ordnung. Aber es gibt einen Bruch.

Und dieser Bruch kommt ausgerechnet am Ende: Bobby erreicht Caz und schließt einen Deal mit Eligor. Klar erwartet er, dass der Höllenfürst betrügt. Aber die genaue Art des Betrugs war für mich vom allerersten Moment an offensichtlich - nur Bobby merkt nichts und fällt hinein. Ausgerechnet dieser Engel, der so gerne ein abgebrühter Hard-Boiled-Zyniker sein will. Das war für mich wirklich enttäuschend: Ausgerechnet das Finale floppte durch Nicht-Überraschung.

Größeres Serienbild

Gelingt es Bobby also, die Gräfin aus der Hölle zu befreien? Das bleibt ultimativ eine Frage für den dritten und planmäßig abschließenden Teil der Reihe. Das gilt ebenfalls für einiges, was nur oberflächlich angeschnitten wird. Welcher Engel hat einen Pakt mit Eligor geschlossen? Inzwischen hat Bobby einen konkreten Verdacht. Aber wozu? Viele Kleinigkeiten und Dinge, die Bobby nicht durchblickt, warten für den dritten und abschließenden Teil. Dem stehe ich noch interessiert gegenüber, habe aber die leichte Angst, dass Tad Williams' Schritt Richtung einfachere Geschichten diese Geschichte ein Stück zu einfach macht.

Wie der erste Teil lebt auch Happy Hour in der Hölle stark vom Hard-Boiled-Engel. Auch die Höllenreise war durchaus interessant, nur das vorhersehbare Ende enttäuschte mich nachhaltig. Dieser zweite Teil ist für mich schwächer als der erste, bietet aber genug gleiche Unterhaltung zum Weiterlesen. Für den dritten Teil sollte Tad Williams allerdings eine Schippe zulegen - auch mit ein wenig Tiefe.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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