Buch-Cover, Andrzej Sapkowski: Etwas endet, etwas beginnt

Etwas endet, etwas beginnt

Originaltitel: Cos sie konczy, cos sie zaczyna [POL]
Übersetzer: Erik Simon
Genres: Kurzgeschichten; Phantastik
Verlag: dtv
Seiten: 429
Erschienen: 03/2012 (Original: 2000)
ISBN: 978-3-423-21353-0
Preis: 8,95 Euro (Softcover)
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"Etwas endet, etwas beginnt" ist Lesern von Andrzej Sapkowskis Hexer-Geschichten als häufig benutzter Ausdruck wohlbekannt. Auch die Covergestaltung legt eine Verbindung zu Hexer nahe – wer nur Hexer-Geschichten sucht, wird allerdings enttäusch. Nicht gänzlich, denn zwei Geschichten aus der Geralt-Welt sind in diesem Sammelband enthalten. Der Rest ist jedoch eine bunte Mischung unabhängiger Kurzgeschichten, in einem Fall noch nicht einmal Fantasy. Seinen gelungenen Stil bewahrt Sapkowski sich aber selbst in dieser.

Was nach Hexer aussieht...

Das Titelbild ist im Stile der Hexer-Romane gehalten und auch auf dem Buchrücken wird Geralt erwähnt. Logisch: Der Hexer Geralt ist die Figur für die Sapkowski am bekanntesten ist. Aber lediglich zwei der acht Kurzgeschichten spielen in Geralts Welt.

Die erste, "Der Weg, von dem niemand zurückkehrt", handelt vom Treffen von Geralts Eltern - die Mutter kennen Leser bereits aus "Etwas mehr" (in: Das Schwert der Vorsehung) – und geht ein wenig in Richtung der früheren Hexer-Geschichten. Das Titel gebende "Etwas endet, etwas beginnt" hingegen passt schlicht gar nicht in die Hexer-Saga und ist doch deren Ende. Paradox? Ja. Hier kommen die jeweiligen Vorworte des Autors zu Hilfe - alle ohne unnötiges Gerede, mit kurzen Hinweisen auf Entstehung und Erstveröffentlichung: Die Geschichte wurde von der Hochzeit eines Paars inspiriert und handelt von der Hochzeit Geralts und Yennefers. Nur heiraten diese in der Hexer-Saga eben nicht, es ist nicht das "schon geschriebene" letzte Kapitel. Dennoch findet der Leser hier viele bekannte Personen wieder und auch das leicht chaotische Gefühl früher Hexergeschichten stellt sich neben arthurianischen Anklängen ein, die ja auch in der "Herrin vom See" eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

Arthuriania und "Low" Fantasy

Apropos arthurianisch: "Maladie" reiht sich in die Reihe der Arthuriania ein, also Geschichten im Umfeld des Artus-Zyklus. Diese sind nicht immer Fantasy: Manche betonen eher (pseudo-) historische Aspekte; andere "Rittergeschichten" fügen Magie hinzu und tendieren somit klar Richtung Fantasy. Sapkowski geht einen eher historischen Weg: Über die Sicht der Liebe als Krankheit (daher "Maladie") verarbeitet er die Geschichte und Tristan und Isolde mit Morholt und Brandwen als neuen Hauptfiguren. Insbesondere wird hier das Spannungsfeld zwischen Wahrheit und Legende und die Problematik der Legendenbildung deutlich. Auch kann man sich an die heftig mit Märchenfragmenten versetzten Geralt-Geschichten erinnert fühlen.

"Low Fantasy" sind hingegen "Die Musikanten" und "Tandaradei", also Geschichten in denen es etwas Übernatürliches ohne Zweifel gibt, es aber eine verhältnismäßig geringe Rolle in einer ansonsten normalen Welt spielt. Beide dieser Geschichten tendieren zudem Richtung Horror. "Die Musikanten" versuchen mit ihrer Musik den Durchbruch unheimlicher Wesen in unsere Welt zu verhindern. Sapkowski orientiert sich hier an Horror oder Dunkler Phantastik im Stile Lovecrafts, dessen Einfluss deutlich ist – und nebenbei ist "Die Musikanten" auch eine Katzengeschichte. "Tandaradei!" hingegen handelt vom Urlaub einer unansehnlichen Studentin, die sich aus Einsamkeit in mittelalterliche Texte flüchtet und an etwas Gefährlichem rührt. Inspiriert wurde Sapkowski hierbei von Tanith Lees Science-Fiction Geschichte "You Are My Sunshine".

Wonderland, Western und "Realität"

Wenn ich oben von einer ersten Katzengeschichte spreche gibt es auch eine zweite. Dies ist "Der goldene Nachmittag" an dem ein Kater aus Cheshire eigentlich nur faulenzen wollte. (Deutschen ist dieser Kater als "Grinsekatze" bekannt). Aber dann kommt so ein blödes Menschenmädchen ins Wunderland... Aus Sicht des Katers erzählt Sapkowski von der Rettung Alice Liddels aus tödlicher Gefahr. In einem deutlich gefährlicheren Wunderland und der "echten" Welt erfindet Sapkowski die "wahre" Geschichte, die zur Entstehung der Alice-Im-Wunderland-Romane geführt hat. Fans wissen: Alice Liddell und der Reverend Charles Dodgseson sowie ein ganz spezifischer Ausflug sind keineswegs erfunden. Sapkwoski verarbeitet Fragmente der Realität überaus gelungen, jedoch anders als Frank Beddor in "Das Spiegellabyrinth", das Alice in Realität und Wunderland in Romanlänge aufgreift.

In den "Wilden Westen" verschlägt es den Leser im "Vorfall in Mischief Creek". Eine kleine Gruppe verfolgt eine Hexe und gelangt schließlich in eine äußerst seltsame Siedlung. Quäker? Abtrünnige? Ketzer? Das Ende dreht sich ein wenig Richtung Horror und auch auf Salem wird in Zusammenhang mit Hexen(-verfolgung) angespielt - einen Hintergrund bei dem es um doch eher weltliche Ziele ging als um echte Hexerei.

"Im Bombentrichter" spielt genau dort. Diesen frischen Einschlag findet der Erzähler am Vormittag auf dem Schulweg. Aus der Schule wird nur nichts, denn einige Parteien haben einen neuen Kleinkrieg angefangen – doch ein wenig größer als eine schlichte Schießerei Sapkowski fängt hier ethnische Kleinkonflikte in einem realistischen, dem Ostblock nachmodellieren Setting ein, das "so niemals existiert hat". Und um den Autor weiter zu Wort kommen zu lassen: "'Im Bombentrichter' ist meine einzige Erzählung, von der sich mit Gewissheit sagen lässt, dass es keine Fantasy ist."

Fazit: Wer Geralt-Geschichten erwatet, der wird enttäuscht - zumindest im ersten Augenblick. "Etwas endet, etwas beginnt" ist keine Sammlung um den Hexer sondern eine Sammlung von Sapkowskis Kurzgeschichten. Wenn man sich darauf einlässt erhält man allerdings eine interessante Breite an Themen, allesamt im exzellenten Stil des Polen. Zugreifen für jeden, der nicht explizit nur "pure" Fantasy liest!

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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