Wolfszorn
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Der Vampir Samuel ist besiegt - aber der Preis, den die Sippe der Kartheiser bezahlen musste, ist hoch. Und schon lauert die nächste Schwierigkeit auf Nathaniel Palmer: Ein fremdes Werwolf-Rudel kommt nach Ostkamp. Nathaniel kennt es, denn einst war er ein Teil. Doch seit der Schlächter Barna zu ihnen stieß, schauen diese Werwölfe auf die Menschen herab. Selbst der Schamane Tamas, den Nathaniel einst rettete, geht mit den Menschen um wie Vieh. Und doch: Einst waren sie Freunde. Kann Nathaniel die Gemäßigten des Rudels erreichen? Kann er sich eine offene Konfrontation leisten? Die Menschen Ostkampf sind gefährlich nahe dran, die Wahrheit über die Werwölfe zu erfahren.
Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.
Der erste Mondwandler-Roman warb mit "Hard-Boiled Detective Action mit Urban Fantasy". Das trifft auch auf Wolfszorn zu. Ulli Schwan geht erfrischend sparsam mit magisch-mystischen Elementen um. Sein Roman (mit deutschem Setting!) ist geprägt von brutalen Auseinandersetzungen und harten Entscheidungen, bei denen die Wahl meist nur zwischen schlecht und noch schlechter besteht.
Hard-Boiled Urban Fantasy Action
Nathaniel Palmer bekommt keine Ruhe: Nach den Toten und Verletzten im Kampf gegen den Vampir Samiel treibt sich zunächst "nur" ein Maskierter auf dem Gebiet der Kartheiser herum und lauert alleinstehenden Frauen in ihren Wohnungen auf. Natürlich wird Nathaniel aktiv - zwar sind es Menschenfrauen, aber auf dem Gebiet der Kartheiser sollen alle sicher sein.
Doch die Kernbedrohung dieses Romans ist weit düsterer: Nach einer Jagd der Kartheiser-Sippe tauchen fremde Werwölfe auf und richten ein Massaker unter Menschen an, die sich zu einem Autorennen trafen. Dieses Massaker wird nicht beschönigt, ist brutal und direkt. Nebenfiguren, von denen man gerne mehr erfahren würde, sterben urplötzlich - und Nathaniel selbst entkommt nur mit größter Not.
Zusätzlich zu diesem düsteren Grundton einer Welt, in dem der Tod schnell kommt, setzt Wolfszorn aufs Moderne. Magie und Mystik (Schamanismus) bleiben hintergründig und selten. Abgesehen von den Werwölfen tummeln sich kaum andere übernatürliche Wesen oder Sagengestalten, wie sie in manchen Serien geradezu inflationär auftauchen. Auch das trägt dazu bei, den Roman moderner wirken zu lassen und nicht wie einen Tummelplatz mystischer Wesen, die zufällig in eine deutsche Stadt geraten.
Gut gegen Böse?
Gut und Böse sind schnell verteilt, wenn ein Werwolf-Rudel Menschen richtiggehend abschlachtet. Wer den ersten Mondwandler-Roman gelesen hat, weiß allerdings, dass es dabei unmöglich bleibt. Reines Gut gegen Böse wäre viel zu einfach. Nathaniel muss erneut harte Entscheidungen treffen - Entscheidungen zwischen Übel und noch mehr Übel.
Denn er kennt das Rudel, war einst Teil von ihm und verließ es nach handfesten Differenzen. Dennoch: Einfach töten ist unmöglich - einmal abgesehen davon, dass Barna ihm im Kampf ebenbürtig ist - oder sogar überlegen, denn er muss nicht auf die Dinge Rücksicht nehmen, die Nathaniel einschränken.
Nathaniel kennt die fremden Werwölfe und das lässt sie ganz anders erscheinen als ein Feind, der einfach auftaucht. Sie alle haben Gründe, Menschen zu hassen oder zu verachten: Sie erlebten Verlust und Gefangenschaft, nur weil sie Mondwandler waren. Das macht diese Figuren viel nachvollziehbarer als ein Schurke, der sich einfach übermächtig fühlt und böse ist, weil die Handlung einen Bösewicht braucht.
Einen Überheblichen gibt es, ja: Barna sieht die Menschen als unterlegene Geschöpfe an. Die Kräfte der Mondwandler scheinen ihm Recht zu geben. Auch der Schamane Tamas scheint sich dieser Sicht mehr und mehr angeschlossen zu haben. Aber geht das allen im Rudel so? Nathaniel hat seine Bedenken und versucht, sie zu erreichen. Das, so meint er, ist er ihnen schuldig.
Der Versuch der Diplomatie statt des Kampfes hat auch einen weiteren Grund: Die Ostkamper Mondwandler der Kartheiser-Sippe wollen unerkannt unter den Menschen leben. Genau dieses versteckte Leben bedroht die fremde Sippe jedoch, indem sie ohne Rücksicht auf irgendwelche Geheimnisse agiert. Besonders brisant wird die nicht allzu versteckte Konfrontation, da ein Journalist den Werwölfen schon länger auf der Spur ist.
Frosts Welt des Okkulten
Seinen Job hat Simon Frost wegen seiner "fixen Ideen" schon verloren, seinen Enthusiasmus jedoch nicht. Und seit den jüngsten Ereignissen erhält Frosts Welt des Okkulten (inzwischen als Online-Magazin) immer mehr Zulauf. Barna ist es egal, ob er die Tarnung der Kartheiser zerstört. Ihm nutzt es sogar, dass Nathaniel nicht offen agieren kann, während es ihm selbst nahezu egal ist.
Was tut man also, wenn man einen Journalisten ruhigstellen muss, der droht, das eigene Geheimnis zu entdecken? Man arbeitet mit ihm zusammen - zumindest ist das Alex' Idee. Nathaniel ist einigermaßen skeptisch, aber so wissen die beiden zumindest, was der Okkultismus-Journalist gerade untersucht. Dies ist ein Handlungsstrang, der Nathaniel auch weiter beschäftigen wird.
Vermutlich müssen die Kartheiser sich in Zukunft direkter mit Frost auseinandersetzen - und auch mit ihrer eigenen Position in der menschlichen Gesellschaft. Derzeit wollen sie für sich sein und den Wolf nur dort ausleben, wo sie Menschen nicht behelligen. Angst spielt dabei eine Rolle: Was würden die Menschen tun, wenn sie von den Werwölfen erführen? Sie sind nun einmal "anders". Schlechte Erfahrungen machten nicht nur die fremden Werwölfe, sondern auch Nathaniel.
Nathaniels Vergangenheit: Verlorene Freunde, verlorene Familien
An diesen schlechten Erfahrungen nimmt der Leser direkt teil. Erneut erhält er mit mehreren Episoden Einblicke in die Vergangenheit Nathaniels. Seinen Vater hat er lange verlassen; diese Geschichte wurde in Das Blut der Mondwandler erzählt. Wolfszorn erzählt hingegen die Geschichte, wie Nathaniel in Gefangenschaft geriet und das Rudel fand, das nun die Stadt bedroht. Und wie er es verlor. Und er zeigt mehr: Wie Nathaniel eine Familie begann - und sie verließ.
Das tat er nicht gerne, überzeugte sich selbst, dass seine Handlung richtig war. Aber noch immer macht er sich Vorwürfe und ist nicht glücklich. Das macht ihn menschlicher als einen strahlenden Helden ohne fehl. Denn ein solcher ist er nicht. Sein Wahlspruch dürfte "Tue, was getan werden muss" sehr nah kommen, denn in seinen Entscheidungen ist er unerbittlich. Gerade dies entfernt ihn vom archetypischen, immerguten Helden. Es ist zugleich das, was ihn realistischer macht, aber eben auch schmutziger. Wo der edle Recke den Gegner sein verlorenes Schwert aufheben lässt, tötet Nathaniel. Pragmatisch, zielgerichtet, fest in seinen Grundsätzen und effizient - aber auch kalt, grausam und kompromisslos.
Gerade dieser Zwiespalt verleiht dieser düsteren hard-boiled Werwolf-Serie ihren eigenen Reiz. Denn ganz ehrlich: Von herzallerliebsten Kuschel-Werwölfen, die sich den Menschen zeigen wollen, gibt es genug. Für die Reihe wünsche ich mir, dass Nathaniel auch weiterhin schwere Entscheidungen treffen muss.
Deutsche Werwölfe, wirklich modernes, urbanes Setting und harte Entscheidungen. Wer einen Werwolf-Roman mit realistischen Figuren statt strahlenden Helden und sprücheklopfenden Zauberern sucht, sollte unbedingt in die Mondwandler-Reihe hineinsehen!
(Wolfszorn gibt es als Taschenbuch oder als eBook (oben verlinkt, nicht über amazon), sowie in der Kindle-Edition.)
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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