Leon Traumgänger - Erwachen
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Jahr für Jahr hat Leon vor seinem Geburtstag denselben Albtraum. Und das ist nicht das einzige seltsame: im Dunkeln hört Leon ein Raunen - und seine Neugierde aufs Klarträumen und ähnliche Praktiken um sein Problem (samt Angst vor der Dunkelheit) in den Griff zu bekommen machen ihn in den Augen seiner Mitbewohner reichlich seltsam. Leon wohnt mit einigen anderen Jugendlichen zusammen, die ihre Eltern verloren haben, mitsamt steten Betreuern, inklusive Pfarrer und Psychologin.
Aber da ist mehr als bloße Einbildung, dieses Flüstern ist keine Einbildung: um Leon passieren seltsame Dinge; er spürt die Gefühle anderer, wenn sein Schatten sie berührt. Als in Leons unmittelbarer Nähe ein Mord geschieht wachsen Schuldgefühle in ihm: Ist er nicht Schuld? Hätte er nichts unternehmen können - denn erst kurz zuvor hatte er sich effektiv wenngleich unerwartet durch seine sonderbare Fähigkeit zur Wehr gesetzt. Leon schwört, den Mörder zu finden und ihn von weiteren Untaten abzuhalten. Seine Suche führt ihn sowohl auf die Spur eines vor langer Zeit hingerichteten Mörders als auch auf die Spur geheimnisvoller, zauberhafter Wesen - und auf die Spur seiner Selbst.
Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.
"Leon Traumgänger - Erwachen" ist der erste Band der Trilogie um Leon, der - wie der Titel schon nahe legt - eine besondere Beziehung zu Träumen hat. Dies weiß Leon zu Beginn jedoch nicht: seine Versuche, mit Träumen und Ängsten klarzukommen verlaufen in "wissenschaftlichen" Bahnen von Psychologie, Traumdeutung und Klarträumen. Jedoch ist ihm klar, dass da mehr ist und im Laufe dieses ersten Bandes wird dieses "mehr" deutlich. Im weitesten Sinne ist Erwachen somit eine Initiationsgeschichte; Leon lernt über sich, seine Fähigkeiten und seinen Platz. Überdies erfährt er, dass es mehr in der Welt gibt, als man annimmt. Einen großen Teil des Werkes nimmt die Interaktion mit Leons Mitbewohnern ein, die im Wesentlichen gelungen gezeichnet werden und die Handlung mit typisch zwischenmenschlichen Problemen versorgen. Schaut man aufs Genre, so wird man zunächst schwanken zwischen Phantastik (in der etwas Fremdes oder eine fremde Welt in unsere einbricht) und Urbaner Fantasy (in der Magie o.ä. in unserer modernen Welt existiert). Die Grenzen sind hier flüssig zumal Mystery und Mythologie auch hier Anteile beisteuern. Mit Voranschreiten der Handlung wird jedoch klarer, dass dieser Roman in der Tat eher zur Urbanen Fantasy gehört. In "Leon Traumgänger" ist dies jedoch eine urbane Welt mit "niedrigem Magieniveau", sprich: Es sitzen nicht an jeder Ecke Feuerball schleudernde Magier, gesegnete Glaubenskrieger oder mythische Wesen; es ist ein urbanes "Low Fantasy" Setting. Die "Magie" in dieser Welt ist auf wenige Personen und auch in ihrem Ausmaß stark beschränkt und gilt allgemein als nicht existent - zumindest scheint es zunächst so. Verschiedene Mythologien und okkulte Praktiken werden von Jürgen Großmeyer genutzt, wie beispielsweise das Tarot oder altägyptischer Glaube und Symbolismus. Auch die Psychologie und Traumdeutung sind diesen Bereichen nah verwandt und werden vom Autor gelungen verbunden.
Mit vielen solcher Wissensquellen gibt es das Risiko, Leser einfach zu überrennen - wer kennt sich denn aus mit der Mythologie Ägyptens UND Norwegens, dazu noch Traumdeutung, Psychoanalyse und Tarot? Demgemäß und auch im Hinblick auf die primäre Zielgruppe der Jugendlichen bauen die Anspielungen auf ein durchschnittliches, grundsätzliches Allgemeinwissen: Mehr wissen muss man nicht als dass Tarot eine Methode ist, mittels Karten die Zukunft vorherzusagen. Auch andere Symbolismen(?) werden entsprechend erklärt.
Auf Seiten der Handlung kann Jürgen Großmeyer mit einem unverschnörkelten, geradlinigen Stil punkten. Der Roman ist kein Thriller oder Kriminalroman - trotz Suche nach einem Mörder - und erreicht daher auch nicht deren grundlegend andersartige und höhere Spannung. "Erwachen" bleibt hier viel rätselhafter: Ja, es geht um einen Mörder und die Jagd bringt auch einige Male Spannungshöhepunkte für die Handlung. Gleichzeitig jedoch entdeckt Leon mehr und mehr über sich selbst und die anderen, nicht-menschlichen Wesen, was eine grundsätzlich andere Spannung schafft: nicht die Hatz auf einen Verbrecher sondern das langsame Entdecken, wie die Welt wirklich ist. Zusammen mit dem urbanen Hintergrund macht dieser Mix und eine Reihe von Anspielungen in verschiedene Mythologien den Charme des Romans aus. Insbesondere für Düsseldorfer kommt an einigen Stellen bekanntes vor, wie etwa die "Frauensteine" oder den "Vampir" Peter Kürten; Ortsunkundige müssen sich dennoch nicht schrecken lassen und bekommen wie bei den okkulten Praktiken alles nötige gesagt ohne dass dieses wie zwanghaft abgeladene Exposition wirkt. Selten genug ist es, dass ein Fantasy-Roan einmal in einer Deutschen Stadt spielt; gleichzeitig jedoch viel unabgenutzter als noch ein High-Magic-Roman in einer amerikanischen Großstadt.
Der größte Kritikpunk ist serienbedingt: Es werden nur wenige Fragen beantwortet, stattdessen neue Fragen aufgeworfen. Selbst der „zentrale“ Mord des ersten Romans wird zwar durch die Tätersuche abgeschlossen, wirkt aber emotional eher leer und nicht wie das Ende einer Suche sondern nur wie der erste Schritt.
Ja, sicher, ich habe gesagt und ich sage erneut: Im Kern ist dies erneut die alte Geschichte über den "seltsamen" Jungen, der sich selbst finden muss und seine wahren Stärken findet. Diese Geschichte hat jedoch Jahrtausende funktioniert und wird es auch weiterhin in verschiedenen neuen Ausführungen. Jürgen Großmeyer gelingt hier eine solche neue, interessante Variation auf deren Fortsetzung ich mich freue.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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